Schleswig-Holsteinisches VG v. 8.12.2020 - 4 A 316/18

Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen Härtefall bei einem intersexuellen Menschen?

Der Vortrag, wegen einer Intersexualität unter erheblichen psychischen Beeinträchtigungen zu leiden, die durch Medienkonsum verstärkt würden und die Teilnahme am gesellschaftlichen und sozialen Leben unmöglich machten, rechtfertigt nicht die Annahme eines besonderen Härtefalls. Des Weiteren sind einkommensschwache Personen, die Sozialleistungen i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RBStV in Anspruch nehmen könnten, dies aber nicht tun, nicht der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zuzuordnen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aufgrund eines besonderen Härtefalls wegen seiner Intersexualität und der damit einhergehenden psychischen Beeinträchtigungen.

Das VG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zu.

Sofern der Kläger sich gegen ggf. geschlechterdiskriminierende Rundfunkinhalte wendet, handelt es sich um Programmkritik, die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht zu prüfen ist. Solche lässt die Rundfunkbeitragspflicht selbst unberührt.

Der Kläger kann eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nicht nach § 4 Abs. 1 RBStV beanspruchen, da er nicht zu dem davon erfassten Personenkreis gehört. Danach ist eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht grundsätzlich an den Bezug bestimmter staatlicher Sozialleistungen bzw. an eine bestimmte Befreiungsberechtigung gebunden. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger unstreitig nicht. Er erhält nach eigenem Vortrag keine in dem Katalog aufgezählten Sozialleistungen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung aufgrund eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV. Die Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV bietet keine Handhabe, das Regelungskonzept des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zu korrigieren. Da dieses Regelungskonzept für die von dem Katalog des § 4 Abs. 1 RBStV erfassten Bedürftigkeitsfälle eine bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit vorsieht, um schwierige Berechnungen zur Feststellung der Bedürftigkeit durch die Rundfunkanstalten zu vermeiden, sind einkommensschwache Personen, die Sozialleistungen i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RBStV in Anspruch nehmen könnten, dies aber nicht tun, nicht der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zuzuordnen. Denn für diese Personengruppe entstehen durch das in § 4 Abs. 1 RBStV verankerte Regelungssystem der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit keine groben Ungerechtigkeiten und Unbilligkeiten, denen durch die Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV begegnet werden müsste. Vielmehr hat es diese Personengruppe selbst in der Hand, in den Genuss einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 RBStV zu gelangen.

Ferner rechtfertigt der Vortrag des Klägers, er leide wegen seiner Intersexualität unter erheblichen psychischen Beeinträchtigungen, die durch Medienkonsum verstärkt würden und es ihm auch deshalb nicht möglich sei, am gesellschaftlichen und sozialen Leben teilzunehmen, nicht die Annahme eines besonderen Härtefalls. Indem der Kläger gesundheitliche Gründe geltend macht, fällt der Sachverhalt unter den speziell normierten Ermäßigungstatbestand des § 4 Abs. 2 RBStV. Bereits aus diesem ergibt sich, dass eine Behinderung für sich genommen nicht den Empfang jeglicher Rundfunkangebote für die betreffenden Menschen mit Behinderung ausschließt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.03.2021 15:27
Quelle: Justiz Schleswig-Holstein online

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