LG Hamburg v. 10.12.2020, 310 O 62/20

Vertragsstrafeversprechen außerhalb von Bagatellfällen

Ein Vertragsstrafeversprechen von unterhalb 2.500 € ist außerhalb von Bagatellfällen nicht ausreichend. Handelt es sich bei dem die Urheberrechte Verletzenden um eine etablierte und mitgliederstarke Großorganisation mit breiter gesellschaftlicher Verankerung, so spricht dies für einen erheblichen Angriffsfaktor, was die Vereinbarung einer Vertragsstrafe i.H.v. 5.500 € durchaus rechtfertigen kann.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Fotograf. Die Beklagte ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein, dessen Vereinszweck die Förderung von Pflegewissenschaft und -forschung, insbesondere durch Unterstützung des diesbezüglichen wissenschaftlichen Diskurses, ist. Der Kläger ist Urheber eines Lichtbildwerks der Landesvertretung NRW beim Bund, das sich aus verschiedenen einzelnen Aufnahmen zusammensetzt, die sukzessive auf eine einzelne Platte belichtet wurden, während die Kamera unverändert auf einer Stelle stand.

Der Kläger gestattete auf besonderen Wunsch seines damaligen Auftraggebers, dass eine Verwendung der Fotografie auch im Rahmen der Online-Enzyklopädie „Wikipedia“ zulässig ist. Fotografien, die dort Verwendung finden, werden über die Plattform „Wikimedia" unter einer sog. „Creative Commons“-Lizenz zur Verfügung gestellt. Im Rahmen dieser Lizenz ist eine Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung ausdrücklich nur erlaubt, wenn der Verwender eine entsprechende Urhebernennung vornimmt, konkret unter Linksetzung auf die Creative Commons-Lizenz verweist sowie angibt, ob Änderungen an dem Werk vorgenommen wurden.

Der Kläger hielt der Beklagten vor, dass diese mehrfach das streitgegenständliche Lichtbildwerk rechtsverletzend genutzt habe, d.h. ohne Benennung des Klägers als Urhebers und ohne Hinweis auf die Lizenzbedingungen, und das auch nach Abgabe zweier strafbewehrter Unterlassungsverpflichtungserklärungen. Darin wurde u.a. eine Vertragsstrafe von 5.500 € je Zuwiderhandlung vereinbart.

Die Beklagte hielt dagegen, der Kläger habe irrig den Eindruck erweckt, die gesamte Nutzung sei rechtswidrig und nicht nur die unterlassene Urheberbenennung. Außerdem habe sie eine Agentur mit der Löschung aus dem Backend beauftragt. Diese habe ihr bestätigt, dass das Bild nicht mehr auffindbar sei. Dabei habe sie, die Beklagte, jedoch übersehen, dass das Bild noch in einer pdf-Datei genutzt worden sei.

Im Verfahren vor dem LG hat die Beklagte die Unterlassungsverpflichtungserklärungen angefochten. Das Gericht hat der Klage dennoch vollumfänglich stattgegeben.

Die Gründe:
Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 97 Abs. 1 S. 1, 16, 19a UrhG.

Die Beklagte haftet für die, mit dem Hochladen auf ihre Homepage verbundene Vervielfältigung nach § 16 UrhG. Die Beklagte hat sich zudem wirksam in zwei Unterlassungsverträgen unterworfen. Ihre Anfechtungserklärung im Prozess greift nicht durch. Sie kann sich nicht mit Erfolg auf eine Fehlvorstellung über den Schuldgrund, also das Bestehen des Unterlassungsanspruchs, stützen - sofern eine solche Anfechtung überhaupt für zulässig zu erachten ist.

Die Beklagte kann sich schon in der Sache nicht darauf stützen, dass der Kläger irrig den Eindruck erweckt habe, die gesamte Nutzung sei rechtswidrig und nicht nur die unterlassene Urheberbenennung. Denn genau diese Beanstandung ist vom Kläger in der von ihm vorformulierten Unterlassungserklärung konkret vorgehalten worden und nur insoweit hat sich die Beklagte - unter anwaltlicher Hilfe - tatsächlich mit ihrer Unterlassungserklärung auch unterworfen. Dies gilt umso mehr für die zweite Unterlassungserklärung, die Gegenstand von Verhandlungen der Parteien gewesen ist und deren Gegenstand richtigerweise ebenfalls darauf begrenzt ist, die Nutzung insbesondere ohne Urheberbenennung zu unterlassen.

Auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe i.H.v. 5.500 € ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar handelt es sich um eine durchaus erhebliche Betragshöhe, wenn man in den Blick nimmt, dass die Verletzungshandlungen nur die Urheber- und Lizenzbedingungs-Benennung betrifft und nicht die Werknutzung als solche, die kostenlose Nutzung vom Kläger grundsätzlich erlaubt worden war, die Bilder eine geringe Auflösung hatten und die Beklagte nicht gewerblich, sondern gemeinnützig tätig ist. Ein Vertragsstrafeversprechen von unterhalb 2.500 € ist außerhalb von Bagatellfällen aber nicht ausreichend. Und von einem solchen Bagatellfall kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

Die Verletzungshandlung betraf auch den Flyer einer Einladung zur 30-Jahr-Feier der Beklagten, mithin ein Dokument mit der Eignung einer großen Verbreitungshandlung und entsprechenden Gefährlichkeit für den Kläger als Rechteinhaber. Bei der Beklagten handelt es sich zudem um eine etablierte und mitgliederstarke Großorganisation mit breiter gesellschaftlicher Verankerung. Auch dies spricht für einen erheblichen Angriffsfaktor.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.02.2021 14:24
Quelle: Justiz-Portal Hamburg

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