Aktuell im ITRB

Digital Services Act (Rössel, ITRB 2021, 35)

20 Jahre nach Inkrafttreten der ECRL 2000/31/EG zielt der Vorschlag des Digital Services Acts (DSA)  auf einen novellierten Rechtsrahmen, der einerseits den Herausforderungen der unvermindert zunehmenden ökonomischen und gesellschaftlichen Bedeutung von Onlineplattformen zur Verbreitung nutzergenerierter Inhalte gewachsen ist und andererseits einer Fragmentierung aufgrund des Ausbaus nationaler Regelsetzung der Mitgliedstaaten begegnet.


I. Ausgangssituation

II. Regelungen des DSA-E

1. Verantwortlichkeit der Vermittler

a) Anschein der Kontrolle durch Onlinemarktplätze

b) Vermittlersonderrecht für Sharingplattformen

c) Good Samaritan

d) Zulässigkeit besonderer Überwachungspflichten

e) Verbot allgemeiner Überwachungspflichten

f) Anordnungen gegen rechtswidrige Inhalte

g) Rudimentäre Vorgaben für Notice and stay down

2. Sorgfaltspflichten der Intermediäre

3. Notice and action-Verfahren der Hoster

4. Sorgfaltspflichten mittelgroßer Plattformen

a) Gegenvorstellungsverfahren

b) Zertifizierte außergerichtliche Streitbeilegung

c) Trusted flaggers

d) Maßnahmen gegen Missbrauch und Straftatmeldung

e) Sicherheitsüberprüfung von Händlern

f) Ergänzende Berichtspflichten der Onlineplattformen

g) Transparenz der Werbung

5. Sorgfaltspflichten sehr großer Plattformen

a) Bewertung von Systemrisiken

b) Minderung von Risiken

c) Unabhängige Sachverständigenprüfung

d) Transparenz von Empfehlungssystemen und Werbung

e) Datenaustausch mit Behörden und der Forschung

f) Compliance-Beauftragte

g) Berichtspflichten sehr großer Plattformen

6. Allgemeine Bestimmungen

III. Fazit
 


I. Ausgangssituation

20 Jahre nach Inkrafttreten der ECRL 2000/31/EG zielt der Vorschlag des Digital Services Acts (DSA) auf einen novellierten Rechtsrahmen, der einerseits den Herausforderungen der unvermindert zunehmenden ökonomischen und gesellschaftlichen Bedeutung von Onlineplattformen zur Verbreitung nutzergenerierter Inhalte (z.B. Onlinemarktplätze und soziale Netzwerke) insb. vor dem Hintergrund der Grundrechte gewachsen ist und andererseits einer drohenden Fragmentierung aufgrund des Ausbaus nationaler Regelsetzung der Mitgliedstaaten im Weg einer Verordnung begegnet.

Dazu soll die „Verantwortlichkeit der Vermittler“ aus der ECRL unter Beibehaltung ihrer übrigen Regelungen wie z.B. dem Herkunftslandprinzip herausgelöst und unter Wahrung der vorliegenden gerichtlichen Auslegung weitgehend wörtlich unverändert in den DSA als dessen Basis für die Regulierung weitergehender Sorgfaltspflichten auf der Grundlage der Ex-post-Evaluation nach Art. 21 ECRL überführt werden.

Dabei finden sich die Haftungsgrundlagen weiterhin im sektorspezifischen Recht, das jeweils nur bestimmte Inhalte (Urheberrecht, Terrorismus, Kindesmissbrauch, Hassreden, illegale Produkte usw.) und nur bestimmte digitale Dienste (z.B. Video-Sharing-Plattformen) erfasst, während der DSA die für Intermediäre haftungsmodifizierende Querschnittsmaterie beinhaltet. Soweit allerdings im Einzelfall das Fachrecht selbst spezifische Regelungen zu Intermediären enthält, sollen diese dem insoweit subsidiären DSA vorgehen.

II. Regelungen des DSA-E

1. Verantwortlichkeit der Vermittler


Externe Rechtsverweise auf die Art. 12-15 ECRL sollen künftig für die Art. 3-5 und 7 DSA-E gelten. 6 Bei den maßgeblichen Vermittlungsdiensten i.S.v. Art. 2 lit. f DSA-E handelt es sich mit „reine Durchleitung“, „Caching“ und „Hosting“ um die gleichen drei Kategorien der Art. 12-14 ECRL, deren Vorbild wiederum die des 17 USC § 512 lit. a-c von 1998 waren. Alle Hilfsdienste für das Funktionieren des Internet, auch wenn die selbst wiederum über Vermittlungsdienste vermittelt werden, können unter den DSA fallen. Die Regelungen zu Durchleitung und Caching werden wörtlich unverändert und auch die zum Hosting wird – abgesehen von der folgenden Ergänzung – inhaltlich übernommen.

a) Anschein der Kontrolle durch Onlinemarktplätze

Zum Hosting wird ein neuer Abs. 3 eingeschoben, wonach die Haftungsprivilegierung ebenso wie bei der tatsächlichen Kontrollausübung durch Beaufsichtigung des rechtsverletzenden Nutzers nach Abs. 2 nicht für B2C-Marktplätze gilt, sofern bei einem durchschnittlichen Verbraucher die Fehlvorstellung hervorgerufen wird, dass der Handelsgegenstand vom Marktplatzanbieter oder einem von ihm beaufsichtigten Nutzer bereitgestellt wird. Ausgangspunkt der Regelung ist, dass der Betreiber eines Onlinemarktplatzes seine neutrale Rolle als Intermediär verlässt, wenn er Inhaltekenntnis oder -kontrolle etwa durch Hilfestellung bei Präsentationsoptimierung oder Werbung erlangt.

Die hier neu geregelte Privilegierungsschädlichkeit des bloßen Anscheins der Kontrollausübung ist vergleichbar mit der – nicht auf Onlinemarktplätze begrenzten – Rechtsprechung des I. und VI. Zivilsenats des BGH zum sog. Zueigenmachen i.S.v. § 7 Abs. 1 TMG analog, die für die Übernahme (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.02.2021 12:23
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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