EuGH, C-59/19: Schlussanträge des Generalanwalts vom 10.9.2020

Gerichtliche Zuständigkeit für Unterlassungsklage gegen Vertragspartner wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung

Generalanwalt Saugmandsgaard Øe hat sich mit der gerichtlichen Zuständigkeit für eine zwischen Vertragspartnern erhobene zivilrechtliche Haftungsklage befasst, die auf eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Wettbewerbsrechts gestützt ist.

Der Sachverhalt:
Die in Deutschland ansässige klagende Wikingerhof GmbH & Co. KG schloss einen Vertrag mit der in Amsterdam ansässigen beklagten Booking.com BV, um das von ihr in Schleswig-Holstein betriebene Hotel auf der Online-Hotelbuchungsplattform Booking.com eintragen zu lassen. Die Klägerin ist jedoch der Auffassung, dass Booking.com den auf ihrer Plattform registrierten Hoteliers unangemessene Bedingungen auferlege, was einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstelle, der geeignet sei, ihnen einen Schaden zuzufügen.

In diesem Zusammenhang reichte die Klägerin beim LG Kiel Unterlassungsklage gegen die Beklagte ein, die sich auf die Vorschriften des deutschen Wettbewerbsrechts stützt. Die Beklagte macht jedoch geltend, dieses Gericht sei für diese Klage nicht zuständig. Der mit einer Revision zu dieser Frage befasste BGH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (sog. Brüssel Ia Verordnung) vor.

Der BGH möchte im Wesentlichen wissen, ob eine Klage wie die vorliegende, die auf Rechtsvorschriften gestützt wird, die nach nationalem Recht als solche des Deliktsrechts angesehen werden, eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung i.S.v. Art. 7 Nr. 2 der Verordnung zum Gegenstand hat - in diesem Fall könnte das angerufene Gericht seine Zuständigkeit aus dieser Bestimmung herleiten - oder einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag i.S.v. Art. 7 Nr. 1 der Verordnung, weil das wettbewerbswidrige Verhalten, das die Klägerin der Beklagten vorwirft, in ihrem Vertragsverhältnis zum Tragen kommt - in diesem Fall müsste Wikingerhof ihre Klage nach der letztgenannten Bestimmung vermutlich bei einem niederländischen Gericht erheben. Der BGH bittet den EuGH daher, den Gehalt der Kategorien "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" und "unerlaubte Handlung" sowie die Art und Weise, wie diese Kategorien zueinander in Beziehung stehen, zu klären.

Die Gründe:
Art. 7 Nr. 2 der Verordnung ist dahin auszulegen, dass eine zivilrechtliche Haftungsklage, die auf eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Wettbewerbsrechts gestützt wird, eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung im Sinne dieser Bestimmung zum Gegenstand hat, und zwar auch dann, wenn Kläger und Beklagter Parteien eines Vertrags sind und das wettbewerbswidrige Verhalten, das der Kläger dem Beklagten vorwirft, in ihrer vertraglichen Beziehung zum Tragen kommt.

Die Zuordnung einer zivilrechtlichen Haftungsklage zu einem Vertrag oder Ansprüchen aus einem Vertrag i.S.v. Art. 7 Nr. 1 der Verordnung oder zu einer unerlaubten Handlung oder Ansprüchen aus einer solchen Handlung i.S.v. Art. 7 Nr. 2 der Verordnung hängt von der Grundlage dieser Klage ab. Entscheidend ist demnach die Verpflichtung - aus "Vertrag" oder aus "unerlaubter Handlung" -, auf der sie beruht und auf die sich der Kläger dem Beklagten gegenüber beruft. Dies gilt auch für zivilrechtliche Haftungsklagen zwischen Vertragsparteien. Nach diesen Grundsätzen hat eine Unterlassungsklage wie die von der Klägerin gegen die Beklagte erhobene, die auf eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht gestützt wird, eine unerlaubte Handlung oder Ansprüche aus einer solchen Handlung im Sinne der zweiten Bestimmung zum Gegenstand.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.09.2020 09:10
Quelle: EuGH online

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