LAG Nürnberg v. 19.2.2020 - 2 Sa 274/19

Besonderer Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten

Die nationalen Regelungen, wonach ein interner Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund gekündigt und nur aus wichtigem Grund von seinem Amt abberufen werden kann (§ 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 BDSG), sind mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO vereinbar. Die (geplante) Ersetzung des internen Datenschutzbeauftragten durch einen externen Datenschutzbeauftragten ist idR kein wichtiger Grund für die Abberufung.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrte ggü. der Bekl. zu 1) - ihrer Arbeitgeberin - die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung des zwischen beiden bestehenden Arbeitsverhältnisses, die Feststellung des Bestehens einer Rechtsstellung der Klägerin als interne Beauftragte für den Datenschutz sowie Weiterbeschäftigung und ggü. den Bekl. zu 2) bis 5) - Tochterunternehmen der Bekl. zu 1) - die Feststellung des Bestehens einer Rechtsstellung der Klägerin als externe Beauftragte für den Datenschutz. Die Beklagte zu 1) war zur Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BDSG verpflichtet.

Die Bekl. zu 1) kündigte im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung mit Schreiben vom 13.7.2018 das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Wirkung zum 15.8.2018. Im Kündigungsschreiben wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihre bisherige Stellung als Datenschutzbeauftragte - vorsorglich auch im Auftrag der Tochterunternehmen - spätestens zum 15.8.2018 enden und hilfsweise aus wichtigem Grund widerrufen wird.

Die Klägerin hatte vor dem ArbG überwiegend erfolgreich gegen Kündigung und Abberufung geklagt. Das LAG hat nun in der Berufungsinstanz diese Entscheidung des ArbG bestätigt. Revision ist eingelegt unter dem Az.: 2 AZR 225/20.

Die Gründe:
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Bekl. zu 1) ist nicht durch die Kündigung vom 13.7.2018 mit Ablauf des 15.8.2018 beendet worden und die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz ist nicht durch den Widerruf der Bekl. zu 1) vom 13.7.2018 beendet worden.

Außerdem ist die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz der Bekl. zu 2) bis 5) nicht durch den Widerruf der Bekl. zu 1) vom 13.7.2018 beendet worden. Das ArbG hat daher die Bekl. zu 1) zu Recht zur Weiterbeschäftigung der Klägerin als Teamleiterin Recht verurteilt. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die erstinstanzliche Abweisung der Klage bzgl. der Weiterbeschäftigung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte.

Die Kündigung vom 13.7.2018 ist als ordentliche Kündigung wegen Verstoßes gegen §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG unwirksam. Nach diesen Vorschriften ist die ordentliche Kündigung ggü. der Klägerin als Datenschutzbeauftragte und auch ein Jahr nach Abberufung von diesem Amt ausgeschlossen. In der von der Bekl. zu 1) behaupteten unternehmerischen Entscheidung liegt außerdem kein wichtiger Grund, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte. Dies gilt selbst für den Fall der wirksamen Abberufung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte. Es ist nicht dargelegt, dass die Bekl. zu 1) alle Anstrengungen unternommen hätte, das Arbeitsverhältnis auch unter geänderten Bedingungen fortzusetzen. Der besondere Kündigungsschutz nach §§ 38 Abs. 2, 6 bis. 4 Sätze 2 und 3 BDSG verstößt auch nicht gegen die Vorgaben des Art. 38 Abs. 3 DS-GVO. Durch die nationale Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des materiellen Arbeitsrechts hat es dem Gesetzgeber freigestanden, einen besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte vorzusehen.

Die Abberufung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte der Bekl. zu 1) ist unwirksam. Ein wichtiger Grund für die Abberufung, wie es § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG erfordert, liegt nicht vor. Pflichtenverstöße sind nicht geltend gemacht. Das freie Bestellungs- und Auswahlrecht rechtfertigt es nicht, einen bereits bestellten Datenschutzbeauftragten ohne Weiteres aufgrund einer erneuten Organisationsentscheidung wieder abzuberufen. Denn dies würde den besonderen Abberufungsschutz zur Disposition der nicht-öffentlichen Stelle stellen. In der Ersetzung des internen Datenschutzbeauftragten durch einen externen Datenschutzbeauftragten liegt daher regelmäßig kein wichtiger Grund für die Abberufung. Der besondere Abberufungsschutz verstößt auch nicht gegen die Vorgaben des Art. 38 Abs. 3 DS-GVO, sondern ist durch die nationale Gesetzgebungskompetenz für das materielle Arbeitsrecht gedeckt.

Der Weiterbeschäftigungsanspruch als Teamleiterin hat seine Grundlage im von der Rechtsprechung des BAG entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch. Eine Anspruchsgrundlage für die Weiterbeschäftigung als Datenschutzbeauftragte ist hingegen nicht erkennbar.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.06.2020 14:54
Quelle: Bayerische Staatskanzlei online

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