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Einsatz moderner Technologien im Spannungsfeld gesetzlicher Formvorschriften (Jaschinski, CR 2020, 423-428)Der Beitrag zeigt Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes moderner Technologien wie Distributed Ledger Techologies (DLT) im Spannungsfeld gesetzlicher Formvorschriften. Nach einem Problemaufriss (I.) werden zunächst Versuche des Gesetzgebers untersucht, das geltende Recht an veränderte Bedürfnisse im Hinblick auf Formerfordernisse zu adaptieren (II.), um dann zu analysieren, ob und unter welchen Umständen das geltende Recht bereits auf eine Kommunikation qua DLT eingestellt ist und im Geltungsbereich gesetzlicher Formvorschriften eine Ersetzung dieser durch den Einsatz moderner Technologien bereits möglich ist, bzw. welche Entwicklungen de lege ferenda im Sinne eines Formsystems durch Technologiewahl wünschenswert wären (III.), insbesondere vor dem Hintergrund des (noch) geltenden Leitbildes der Textualität gesetzlicher Formvorschriften. Der Beitrag schließt mit einem Fazit (IV.).
Warum eine „Blockchain-Form“ bzw. DLT-Form“ naheliegt
INHALTSVERZEICHNIS:
I. Problemstellung
II. Anpassungen an moderne Technologien – de lege lata
1. Die elektronische Form
2. Das elektronische Konnossement i.S.d. § 516 Abs. 2 HGB
3. Status quo der bisherigen Entwicklungen
III. Substitutionsmöglichkeiten gesetzlicher Formen durch neue Technologien
1. Innovationsfeld Textform und Textualität
2. Ansatz zu Code statt Textualität – de lege ferenda
IV. Fazit
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I. Problemstellung |
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Kommunikation unterliegt, wie auch technischer Fortschritt, ständigem Wandel und entsprechenden Weiterentwicklungen. Insofern steht das geltende Recht stets vor der Herausforderung, sich geänderten Bedürfnissen zu stellen und respektiv anzupassen. Insbesondere in jüngster Zeit vor dem Hintergrund der globalen COVID19-Pandemie zeigt sich, wie effektiv moderne Technologien und Kommunikationsmittel eingesetzt werden können, um bis dato nie dagewesenen Herausforderungen zu begegnen. Nun stellen Distributed Ledger Technologies (DLT) kein Novum mehr dar.1 Wenngleich auch die Variante der Blockchain aufgrund des globalen Erfolges der Kryptowährung Bitcoin eine gewisse mediale Präsenz und damit einen entsprechenden Bekanntheitsgrad erlangt hat, mangelt es (noch) an flächendeckendem Einsatz derartiger Technologien im Rechtsverkehr2, obwohl sich diese etwa auch für die Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen oder automatische Vertragsschlüsse eignen. Dies dürfte nicht zuletzt auf teils noch verhaltenes Vertrauen angesichts von Rechtsunsicherheiten zurückzuführen sein. |
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Im deutschen Recht sind gesetzliche Formvorschriften Wirksamkeitsvoraussetzung.3 Erfüllt ein Rechtsgeschäft die gesetzliche Form nicht, so ist es nach Maßgabe des § 125 S. 1 BGB nichtig. Da als Ausfluss der Privatautonomie die Formfreiheit von Rechtsgeschäften den gesetzgeberischen Grundfall darstellt, sind dahingehende Einschränkungen durch gesetzliche Formvorschriften mittels entsprechender Formzwecke wie der Warnfunktion oder der Beweisfunktion zu begründen und zu rechtfertigen.4 Ob der Formzweck im Einzelfall möglicherweise auf andere Weise bereits erreicht ist, ist für § 125 BGB unbeachtlich, da Formvorschriften aus Gründen der Rechtssicherheit streng anzuwenden sind.5 Indes gilt die Rechtsfolge des § 125 BGB nicht, sofern das Gesetz ausdrücklich andere Rechtsfolgen an die Form anknüpft.6 Gesetzliche Formerfordernisse sind indisponibel und können daher von den Parteien weder abbedungen, noch modifiziert werden.7 |
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Als Ausdruck des technologischen Wandels und entsprechender Weiterentwicklungen ist auch Kommunikation stetigem Fortschritt unterworfen. Während im vergangenen Jahrhundert ein Vertragsschluss unter Präsenz beider Parteien den Regelfall dargestellt haben dürfte, stellt dies insbesondere im B2B-Bereich nicht zuletzt aufgrund der immer weitergreifenden Internationalisierung des Geschäftsverkehrs heute einen Ausnahmefall dar. Zu denken sei dabei etwa an eine Entwicklung von Vertragsschlüssen qua schriftlich verkörperter Willenserklärungen, über entsprechende Vertragsschlüsse im Wege der E‑Mail-Kommunikation bis hin zu voll automatisierten Vertragsschlüssen im machine-to-machine Kontext qua Programmiersprache, mithin losgelöst von Textualität. Der Gesetzgeber ist dahingehend folglich stetigem Reaktionszwang unterworfen, um gesellschaftliche Entwicklungen entsprechend legislativ abbilden zu können – es kann insbesondere mit Blick auf die jüngsten technologischen Entwicklungen und den Einsatz von DLT von einem Aufeinandertreffen des klassischen Vertragsrechts mit modernen Technologien die Rede sein. Insofern ist problematisch, ob und inwieweit (...) Hier direkt weiterlesen im juris PartnerModul IT-Recht |