Aktuell im ITRB

Agile Vorgehensweisen in der Vertragspraxis (Schneider, ITRB 2019, 213)

In einer Aufsatzreihe wurden in ITRB 2010/11 zahlreiche Aspekte der modernen Projektmethoden dargestellt (s. dazu Fn. 5). Inzwischen hat sich der Einsatz der agilen Methodik weiter durchgesetzt und ist allgemein im „Werkzeugkasten“ der Informatik anerkannt. Die Thematik wurde in einem Einführungsbeitrag (Schröder/Stiemerling, ITRB 2019, 183) wieder aufgegriffen und wird vorliegend unter rechtlichen bzw. vertragsgestalterischen Gesichtspunkten beleuchtet.


1. Agil und Scrum: Vorgehenswahl statt Ergebnis-Anforderungen

a) Beschreibung

b) LG Wiesbaden/OLG Frankfurt

c) Ablösung des statischen Modells durch prozedurale Maßgaben

d) Prinzipien

2. Entscheidungskriterien für agile Methodik

a) Vorgehen und Ergebnis

b) Mitwirkung

3. (Vertragliche) Vereinbarung

a) Gewichtung

b) Rollen

c) Kommunikation

d) Vertragstyp

e) Budget, Malus, Bonus, Scope

4. Häufig übersehene Themen

a) Tests vor Abnahme

b) Die 12 Prinzipien

c) Entbehrlichkeit der Dokumentation?

d) Gemeinschaftliche Rechtsausübung?

e) Dienstvertrag: Rechteeinräumung

f) Werkvertrag: Ausführung

g) Verzicht auf Planung?

h) GoLive, Mängel, Schadensersatz

5. Problemfelder

a) Aufklärung, Nachforschung

b) Rahmenvertrag

c) Das „heimlich“ agile Projekt

d) Exits, Fristen

e) Arbeitsrecht
 

1. Agil und Scrum: Vorgehenswahl statt Ergebnis-Anforderungen

a) Beschreibung

Im Einführungsbeitrag wurde darauf hingewiesen, dass es verschiedene Projektmethoden gibt, die als agil bezeichnet werden. Häufig wird Scrum als die typische agile Methodik angesehen, sogar mit agil gleichgesetzt. Als agil werden auch organisatorische Methodiken bezeichnet, die nicht oder nicht nur IT- bzw. Software-Projekte betreffen. Für Projekt-Verträge ist es wichtig, genauer zu bestimmen, was mit agil als vertraglicher Maßgabe konkret gemeint ist. Der Einsatz der agilen Methodik hat sich weiter durchgesetzt und ist allgemein im „Werkzeugkasten“ der Informatik anerkannt. Insb. für Projekte mit hoher Anforderungsunsicherheit seitens des Kunden stellt diese Methodik die Alternative zum linearen Wasserfallmodell dar.

Allerdings wird auch dieses nicht starr gelebt, sondern oft spiralförmig ausgeführt. Aber das grundlegende, vertraglich oft unterstellte Schema ist das einer Treppe von Stufe A: Auftrag/Vertragsschluss mit „Pflichtenheft“ über Stufen beim Auftragnehmer bis hin zu Stufe X: Abnahme. Dazwischen ist – bei Werkvertrag – der Auftragnehmer für die Umsetzung und Realisierung des Pflichtenhefts verantwortlich. Das Schema wird durch sog. Change Requests (CR) ergänzt, die neuen Anforderungen vertragliche Relevanz geben.

b) LG Wiesbaden/OLG Frankfurt

Inzwischen sind viele Literaturbeiträge erschienen, aber wenig Rechtsprechung. Deshalb fanden LG Wiesbaden und in der Folge auch OLG Frankfurt große Beachtung. Die Entscheidung des LG Wiesbaden zeichnete sich dadurch aus, dass das Gericht sehr nahe an den agilen Maßgaben blieb und die Ausführung des Vertrags als nicht fachgerecht ansah, weil nach Ansicht des Sachverständigen diese Maßgaben zu berücksichtigen waren.

Reicht es dementsprechend aus, „agile“ Methodik ohne konkrete Maßgaben zu vereinbaren, um diese bzw. speziell Scrum als maßgeblich für die Vertragsausführung und die Beurteilung des Ergebnisses heranziehen zu können?

c) Ablösung des statischen Modells durch prozedurale Maßgaben

Mit Vereinbarung agilen Vorgehens, speziell Scrum, wird das Wasserfallmodell abgelehnt und zugleich als Art der Ausführung der agile Prozess festgelegt. Das Ausführungsrisiko liegt bei Werkvertrag grundsätzlich beim Auftragnehmer. Diese Zuordnung ist wichtig bei Hindernissen. Je mehr sich der Auftraggeber in die Ausführung einmischt, bis hin zu bestimmten Forderungen seitens des Auftraggebers, so oder so vorzugehen, verlagert sich das Ausführungsrisiko (auch) auf diesen zurück. Davon zu unterscheiden wäre das Kalkulationsrisiko, ob sich der Auftragnehmer ggf. (auch beim Kostenanschlag) verschätzt hat und ab wann er den Auftraggeber informieren muss. Weiter ist bei Abrechnung nach Zeitaufwand das Gebot wirtschaftlicher Betriebsführung zu beachten. Die Frage ist, ob dies etwa bei agil nicht gelten soll.

d) Prinzipien

Die vier (Haupt-)Aussagen des agilen Manifests sind vor dem Hintergrund weiterer 12 Prinzipien, die etwas konkreter sind, auf den ersten Blick das Regelwerk. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es sich um Aussagen zu Werten und Proportionen das Ranking der Einzelaspekte betreffend handelt. Als konkret zu vereinbarende Maßnahmen müssen diese Aussagen und Prinzipien auf den konkreten Fall heruntergebrochen werden. Diese Festlegung fehlt häufig.

2. Entscheidungskriterien für agile Methodik

a) Vorgehen und Ergebnis

Es gibt keine klare positive Indizierung, wann „agil“ bzw. Scrum als konkrete Ausprägung geboten ist. Aber es gibt Anhaltspunkte dafür, u.a. „time to market“. Je wichtiger dies ist, umso eher wird man das Risiko, nicht oder wenig für den Fall des Scheiterns abgesichert zu sein, hinnehmen. Ein typischer Auslöser für agiles Vorgehen dürfte sein, dass (...)
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.08.2019 14:50
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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