Akuell in der CR

Digitalisierung als Politikziel - Teil I - Über die Pläne zur flächendeckenden Technisierung der öffentlichen Verwaltung (Bull, CR 2019, 478)

Der Beitrag hinterfragt zunächst den Bedeutungshorizont von „Digitalisierung“ in der Gesellschaft im Allgemeinen und in der öffentlichen Verwaltung im Besonderen (I.) und arbeitet nicht nur den zugrunde liegenden Unterton in Medien und Wissenschaft, sondern auch die Vorstellung von Gesetzgebung heraus (II.). Daraus werden sodann im Schwerpunkt konkrete Folgerungen für die Ausrichtung und Instrumente der Politik bezogen auf Technikentwicklung gezogen (III.) und schließlich maßgebliche Prinzipien für staatliche Einflussnahme auf „Digitalisierung“ entwickelt (IV.).

I. Was bedeutet „Digitalisierung“?

1. In der Gesellschaft

2. In der öffentlichen Verwaltung

II. Zur Darstellung des Problemfeldes in Medien und Wissenschaft

1. Werbender Unterton

2. Außenseiter

3. Bild von Gesetzgebung

III. Allgemeine Konsequenzen für die Politik

1. Faszination oder Resignation?

2. Umkehr der Perspektive

3. Diskussions- und Entscheidungsbedarf

4. Instrumente staatlicher Einflussnahme

a) Rechtliche Rahmensetzung und finanzielle Förderung

b) Abbau „bürokratischer“ Hürden

5. Verwaltungsreform

6. Zwischenfazit: Wie kann Politik auf die Technikentwicklung einwirken?

IV. Prinzipien staatlicher Einflussnahme auf die Digitalisierung

1. Technische Prozesse als Black Box und ihre Außenwirkungen

2. Soziale, wirtschaftliche und rechtliche Normen als Leitlinien der Technikgestaltung

3. Rechtsetzung als politische Aufgabe


I. Was bedeutet „Digitalisierung“?
Kein politisches Programm, in dem nicht „Digitalisierung“ als Politikziel genannt wird. Was unter diesem Titel gefordert wird, gilt als ein hochrangiges Ziel politischer Aktivität. „Digitalisierung“ steht für Fortschritt, für eine bessere Welt, für Wohlstand und Sicherheit. Politik und Wirtschaft versprechen, mehr für die Digitalisierung zu tun, und fordern sich gegenseitig zu noch größerem Engagement auf. Je näher eine Wahl rückt, desto lauter ertönt diese Forderung. Doch bei genauem Hinsehen wird immer unklarer, was damit konkret gemeint ist, und es kommen Zweifel auf, ob die eingeschlagene Richtung wirklich vollkommen angemessen ist.

1. In der Gesellschaft
Gewiss, die rasante Qualitätssteigerung der Informationstechnik (IT) verändert die Bedingungen, unter denen die Unternehmen wirtschaften. In allen Wirtschaftszweigen, von der industriellen Produktion über die Verteilung der Güter bis zu zahllosen Dienstleistungen kann der Einsatz neuer Techniken, der u.a. unter dem Titel „Digitalisierung“ stattfindet, Rationalisierungs- und Kostenvorteile begründen – Vorteile, die im harten Wettbewerb der Unternehmen existenzsichernd sein können. Die Produktivität kann enorm steigen, ebenso die Qualität der Produkte und die Zuverlässigkeit der Prozesse. Es kann Personal eingespart werden, und die Rohstoffe können in höherem Maße genutzt werden, so dass weniger Abfall entsteht. Ob aber solche Vorteile nicht auch auf andere Weise, etwa durch intelligenteren Einsatz des Personals erzielt werden könnten, wird in aller Regel nicht geprüft; die Kosten-Nutzen-Rechnungen der Anwendung von IT wirken überzeugend, Alternativen werden in der Regel nicht durchgerechnet.

Auch den Betroffenen – Nutzern, Kunden, Bürgern, die ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen mittels IT gestalten – werden große Vorteile versprochen, wenn sie sich mehr als bisher für die Techniknutzung öffnen: größere Bequemlichkeit in der Abwicklung der nötigen Transaktionen, Kosteneinsparung, höhere Qualität der gewünschten Leistungen. Die Leistungen der öffentlichen Verwaltung, auf die die Bürger angewiesen sind, sollen gerechter verteilt werden, weil die Technik Gleichbehandlung garantiere, wie sie menschlichen Entscheidern kaum möglich sei.

Geradezu schwärmerisch werden die Chancen „für unser Land und seine Menschen“ in der Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD von 2018 beschrieben, und es werden „anspruchsvolle Ziele“ gesetzt, u.a. „eine flächendeckende digitale Infrastruktur von Weltklasse“, „eine Arbeitswelt, die Menschen im digitalen Wandel befähigt, sichert und …

 

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.07.2019 11:30

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