Aktuell in der CR

Plattformen auf dem kartellrechtlichen Prüfstand - Grenzen der Selbstbevorzugung (self-preferencing) durch sog. Tech-Giganten (Walzel, CR 2019, 314)

Die aktuelle Beschwerde von Spotify vor der EU-Kommission gegen Apple, diverse abgeschlossene Verfahren der EU-Kommission gegen Google sowie weiteren Verfahren gegen Facebook und Amazon werfen die Frage auf, welche kartellrechtlichen Verhaltensmaßstäbe für „mächtige“ Internet-Plattformen im weitesten Sinne gelten. Anhand einschlägiger Entscheidungen analysiert der Beitrag die Frage, inwieweit eine Selbstbevorzugung („self-preferencing“) durch marktbeherrschende Unternehmen in angrenzenden Märkten als Verstoß gegen das europäische Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV) gewertet werden kann.

I. Fokus auf Selbstbevorzugung

1. Der kartellrechtliche Prüfungsmaßstab

a) Marktbeherrschung

b) Missbrauch

aa) Zugang zu „essential facilities“: Bronner (Zeitungszustelldienste)

bb) Kopplung: Entscheidung gegen Microsoft (Windows Media Player)

cc) Missbräuchliche Preissetzungsstrategien

dd) Entscheidungen gegen Google

(1) Google Search (Shopping)

(2) Google Android

(3) Vorläufiges Fazit

II. Erste Analyse der aktuellen Beschwerde gegen Apple (Spotify)

1. Sachverhalt

2. Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung

a) Das iOS-Betriebssystem und der Apple App Store

b) Nachgelagerter Markt für (iOS-basierte) Musik-Streaming-Dienste

3. Denkbare Formen missbräuchlichen Verhaltens

a) Vorinstallation von Apple Music – Unzulässige Kopplung?

b) Bindung an das Apple-“Bezahlsystem“ – Unzulässige Kopplung?

c) Preismissbrauch?

d) Fazit

III. Konfliktpotentiale zwischen europäischem und deutschem Recht


I. Fokus auf Selbstbevorzugung

Plattformen wie Google, Amazon oder Facebook werfen eine Vielzahl kartellrechtlicher Fragen auf: So ist augenfällig, dass Amazon sowohl eine Vertriebsplattform für Konsumgüter bietet als auch selbst im Verkauf jener Güter tätig und daher Konkurrent seiner eigenen Nutzer ist (sog. Hybridfunktion). Gleichzeitig sammelt das Unternehmen offenbar große Datenmengen. Die Sammlung und Verwertung von Daten war auch Gegenstand der aufsehenerregenden Entscheidung des BKartA gegen Facebook.

Der Beitrag konzentriert sich auf einen Ausschnitt der aktuellen Diskussion, nämlich auf das Phänomen der Selbstbevorzugung bzw. eines dahingehenden Verdachts: In den insoweit interessierenden Fallkonstellationen bevorzugt ein Unternehmen, das jedenfalls auf einem Markt marktmächtig ist, ein Produkt, ein Angebot oder eine Dienstleistung, in dem es (infolge vertikaler oder konglomerater Unternehmensintegration) selbst ebenfalls tätig ist ggü. aktuellen oder potentiellen Konkurrenten. Diese Selbstbevorzugung (oder der Verdacht) beruht ggf. nicht auf Leistungswettbewerb und kann unterschiedliche Gestalt annehmen: Bspw. kann es für Nutzer aus verschiedenen Gründen einfacher oder attraktiver sein, auf das Angebot des marktbeherrschenden Unternehmens zuzugreifen als auf dasjenige der Konkurrenz oder die Selbstbevorzugung erfolgt „in sonstiger Weise“.

Das Phänomen oder jedenfalls ein dahingehender Verdacht spielt bei digitalen Plattformen und Ökosystemen eine erhebliche Rolle. Denn im Kern zielen diese darauf, kundenorientierte Netzwerke zu schaffen, über die Produkte und Services von verschiedenen „Playern“ und Marktseiten (bspw. Käufern und Verkäufern) gebündelt werden. Im Zentrum steht dabei i.d.R. eine Plattform, über die gleich mehrere Angebote und Leistungen zugänglich gemacht werden. Die Frage nach den zulässigen Grenzen einer Selbstbevorzugung ist damit gleichzeitig auch eine Frage nach den Grenzen der Monetisierungsmöglichkeiten von (insb.) Gratis-Angeboten durch Plattformanbieter.

Der Untersuchung wird zunächst eine Darstellung zentraler Normen (unter I.1.) und einiger Leitentscheidungen vorangestellt (unter I.2.–3.). Im Anschluss wird die Übertragbarkeit ...
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.06.2019 10:02
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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