BVerfG 18.7.2018, 1 BvR 1675/16 u.a.

Erhebung des Rundfunkbeitrags mit Ausnahme für die Zweitwohnung verfassungsgemäß

Die Rundfunkbeitragspflicht ist im privaten und im nicht privaten Bereich im Wesentlichen mit der Verfassung vereinbar. Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar ist allerdings, dass auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag zu leisten ist. Die zuständigen Landesgesetzgeber haben nun Zeit bis zum 30.6.2020 eine Neuregelung zu treffen.

Der Sachverhalt:

In drei der vier Streitfälle wandten sich beitragspflichtige Bürger gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich, wobei ein Beschwerdeführer insbesondere die Beitragspflicht für Zweitwohnungen angriff. Die vierte Verfassungsbeschwerde eines im Bereich der Autovermietung tätigen Unternehmens richtete sich gegen die Beitragserhebung im nicht-privaten Bereich und dabei insbesondere gegen die Entrichtung von zusätzlichen Beiträgen für die Kraftfahrzeuge.

Die Verfassungsbeschwerden hatten im Wesentlichen keinen Erfolg. Nur im Hinblick auf die Beitragspflicht für Zweitwohnungen waren sie erfolgreich.

Die Gründe:

Die Rundfunkbeitragspflicht für Erstwohnungsinhaber, Betriebsstätteninhaber und Inhaber nicht ausschließlich privat genutzter Kraftfahrzeuge ist verfassungsgemäß.

Die Rundfunkbeitragspflicht für Erstwohnungen ist verfassungsgemäß. Insbesondere werden die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG eingehalten. Durch den Rundfunkbeitrag wird ein individueller Vorteil abgegolten, der sachgerecht an das Vorliegen einer Wohnungsinhaberschaft anknüpft. In der Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegt der den Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil. Zur Finanzierung hat beizutragen, wer die allgemein zugänglichen Angebote des Rundfunks empfangen kann, aber nicht notwendig muss. Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen des Beitragspflichtigen kommt es nicht an. Mit der Anknüpfung an die Wohnungsinhaberschaft hat der Gesetzgeber den Kreis der Vorteilsempfänger in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erfasst, da die Adressaten des Programmangebots den Rundfunk typischerweise in der Wohnung empfangen. Es reicht aus diesen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde zu legen.

Die Bemessung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich ist zudem im Wesentlichen belastungsgleich ausgestaltet. Die einheitliche Erhebung des Rundfunkbeitrags pro Wohnung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit. Darin, dass sich mehrere Wohnungsinhaber den Beitrags untereinander aufteilen können und dadurch weniger belastet werden als Einzelpersonen, liegt zwar eine Ungleichbehandlung. Diese beruht jedoch auf Sachgründen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Private Haushalte bilden in der Vielfalt der modernen Lebensformen häufig Gemeinschaften ab, die auf ein Zusammenleben angelegt sind. Die an dieser Gemeinschaft Beteiligten nutzen typischerweise das Rundfunkangebot gemeinsam in der Wohnung. An diese gesellschaftliche Wirklichkeit darf der Gesetzgeber anknüpfen.

Die Bemessung des Beitrags für Zweitwohnungen verstößt hingegen gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit. Soweit Wohnungsinhaber nach der derzeitigen Regelung für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunkbeitrags herangezogen worden sind, ist der Vorteil der Nutzungsmöglichkeit damit bereits abgegolten. Zweitwohnungsinhaber werden momentan für den gleichen Vorteil mehrfach herangezogen. Gründe der Verwaltungsvereinfachung tragen diese Regelung nicht, da den Rundfunkanstalten die Meldedaten übermittelt werden. Die Landesgesetzgeber müssen daher bis zum 30.6.2020 eine neue Regelung diesbezüglich treffen.

Im nicht privaten Bereich verstoßen weder die Beitragspflicht für Betriebsstätten noch die Beitragspflicht für nicht zu ausschließlich privaten Zwecken genutzte Kraftfahrzeuge gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit. Die Möglichkeit des Rundfunkempfangs vermittelt den Betriebsstätteninhabern einen Vorteil, da sie sich aus dem Rundfunkangebot Informationen für den Betrieb beschaffen und sie dies zur Unterhaltung ihrer Beschäftigten und Kunden nutzen können. Ein zusätzlicher erwerbswirtschaftlicher Vorteil erwächst durch die Möglichkeit, Rundfunk in betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zu empfangen. Der Vorteil ist den Inhabern von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen auch zurechenbar. Die konkrete Ausgestaltung der Beitragspflicht für Betriebsstätten (anhand der Anzahl der Beschäftigten) und Kraftfahrzeuge (anhand der Anzahl der Kraftfahrzeuge, wobei ein Kraftfahrzeug ausgenommen ist) ist zudem belastungsgleich.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des Bundesverfassungsgerichts veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.07.2018 11:32
Quelle: BVerfG PM Nr. 59/2018 vom 18.7.2018

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