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Vorsicht Missverständnis: Neues BND-Gesetz soll nicht den Bürger schützen

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Bei den neuen Regelungen, die die Bundesregierung für die „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“ vorschlägt, geht es keineswegs um eine Einschränkung der BND-Befugnisse. Ganz im Gegenteil: Abhörpraktiken des BND, deren Rechtmäßigkeit höchst fraglich ist, sollen legalisiert werden.

Die „strategische Fernmeldeaufklärung“ gehört zu den Kernaufgaben des BND. Fernmeldeleitungen aus aller Welt werden mit Suchbegriffen durchforstet. Dies in der Hoffnung auf „Treffer“, auf Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung.

Inland-Ausland-Verkehr“ => G10-Gesetz

Für den „Inland-Ausland-Verkehr“ sind die strategischen Befugnisse des BND seit langem im G10-Gesetz geregelt. Dabei geht es keineswegs nur um die Abwehr von Terrorgefahren. Auch für Geldwäsche, Drogenhandel und illegalen Technologieexport darf und muss sich der BND bei seinen Lauschaktivitäten interessieren. Ende 2015 wurde der Befugniskatalog zuletzt erweitert. Seitdem darf der BND „Inland-Ausland-Verkehr“ auch mit Suchbegriffen durchforsten, die der Abwehr von Gefahren durch „Cyberangriffe“ dienen.

§ 5 G10-Gesetz gilt nur für den „Inland-Ausland-Verkehr“. Die Kommunikation von Inländern mit Inländern ist für den BND als Auslandsnachrichtendienst tabu. Eine künstliche Unterscheidung, die in der Praxis schon lange nicht mehr funktioniert, da man einer am Frankfurter Internet-Knotenpunkt angezapften Leitung nicht ansehen kann, was für eine Art „Verkehr“ sich in der Leitung befindet. Mit „G10-Filtern“, aber auch händisch (mitlesend) bemüht man sich beim BND, nur das zu sehen, was man auch sehen darf.

„Ausland-Ausland-Verkehr“ und die „Weltraumtheorie“ der Bundesregierung

Für den „Ausland-Ausland-Verkehr“ gibt es bislang gar keine gesetzlichen Regelungen. Weder im G10-Gesetz noch im BND-Gesetz. Die Bundesregierung vertrat stets den Standpunkt, es bedürfe solcher Regelungen nicht. Denn ein Ausländer könne sich nicht auf das grundrechtlich geschützte Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 GG) berufen.

Dass Ausländer beim Abhören auch dann „vogelfrei“ sind, wenn der BND von deutschem Boden aus agiert, behauptete zuletzt noch Ex-BND-Chef Gerhard Schindler im NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.

Mit ihrer „Weltraumtheorie“ stand die Bundesregierung schon lange auf verlorenem Posten. Kein namhafter Verfassungsrechtler teilte diese Rechtsauffassung. Selbst konservative Juristen wie der Ex-BVerfG-Präsident Hans-Jürgen Papier meldeten sich öffentlich zu Wort und verwiesen auf das BVerfG-Urteil zur Fernmeldeaufklärung (BVerfG, Urt. v. 14.7.1999 – 1 BvR 2226/94, 2420/95, 2437/95, CR 2001, 29), in dem Karlsruhe der Bundesregierung bereits widersprochen hatte.

Das Festhalten der Bundesregierung an der „Weltraumtheorie“ war verständlich. Hätte man eingestanden, dass es an soliden Rechtsgrundlagen für die „Ausland-Ausland-Überwachung“ fehlt, hätte man die Beamten des BND dem Vorwurf von Straftaten ausgesetzt. Das rechtswidrige Abhören erfüllt den Tatbestand des § 206 StGB.

Eigentlicher Ansatz der BND-Reform

Wenn der „Ausland-Ausland-Verkehr“ jetzt durch eine BND-Reform auf neue gesetzliche Grundlagen gestellt werden soll, dient dies in erster Line dem Schutz der Pullacher Bediensteten. Die äußerst großzügigen Befugnisse, die gesetzlich festgeschrieben werden sollen, legalisieren die bestehende Praxis. Nicht mehr und nicht weniger.

Abhören auch unter Freunden

Bei dem neuen Gesetzesvorhaben hält sich die Bundesregierung nicht lange an dem „Geschwätz“ der Kanzlerin von gestern auf. „Abhören unter Freunden“: Das ist nach dem neuen Gesetz keineswegs verboten.

Nach § 6 Abs. 3 des Entwurfs reicht eine „besondere Relevanz für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ aus, um den E-Mail-Verkehr von Präsidialämtern, Ministerien und Behörden anderer EU-Staaten gezielt mit Suchbegriffen zu durchforsten. Und für unsere amerikanischen „Freunde“ gilt derselbe (geringe) Schutz wie für Mitglieder der russischen, nordkoreanischen und syrischen Regierung.

Unzulängliche Kontrolle des BND

Dass es der Bundesregierung nicht um den Schutz von Bürgerrechten geht, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass beim „Inland-Ausland-Verkehr“ alles beim Alten bleiben soll. Dies gilt auch für die unzulängliche Kontrolle, die der G10-Kommission und dem Parlamentarischem Kontrollgremium (PKrG) unverändert überlassen bleibt.

Nur für die Kontrolle des BND bei der Überwachung des „Ausland-Ausland-Verkehrs“ soll ein neues „Unabhängiges Gremium“ geschaffen werden, bestehend aus zwei BGH-Richtern und einem Bundesanwalt. Die Betroffenen sollen in diesem geheim tagenden Gremium keine Stimme bekommen. Forderungen des Deutschen Anwaltvereins und anderer Organisationen nach einem „Bürgeranwalt“ oder einem „Anwalt der Betroffenen“ bleiben ungehört.

  • Nur eingeschränkte Kommunikation der Kontrolleure

Das „Unabhängige Gremium“ wird die Kontrolle der BND-Aktivitäten weiter fragmentieren, zumal es Geheimverpflichtungen gibt, die einen offenen Austausch unter den Kontrolleuren der verschiedenen Gremien unmöglich machen.

  • Praxisferne Differenzierung der Verkehre

Die Unterscheidung zwischen „Inland-Ausland“ und „Ausland-Ausland“ ist zudem kaum praktikabel. Denn ebenso wenig wie man einer Leitung ansehen kann, ob sich darin „Inland-Inland-Verkehr“ befindet, wird man „Inland-Ausland“ und „Ausland-Ausland“ sinnvoll unterscheiden können. Die Unterscheidung, die für die gesetzlichen Anforderungen und das Kontrollregime weichenstellend sein soll, geht an der Realität vorbei.

Enumerative Rechtsgrundlagen für BND-Aktivitäten von deutschem Boden

Bei aller Kritik kann das Zeugnis, das man der Bundesregierung für ihren Gesetzesentwurf ausstellen kann, nicht verheerend schlecht ausfallen. Immerhin soll es jetzt für alle Abhöraktivitäten des BND, die von deutschem Boden ausgehen, gesetzliche Grundlagen geben. Wenn man wissen möchte, welche weitreichenden Befugnisse der BND beim Abhören hat, wird man dies in Zukunft aus der Lektüre des G10-Gesetzes und des BND-Gesetzes ziemlich deutlich ablesen können.

Die Diskussion, ob der BND all diese Befugnisse tatsächlich haben sollte, und die Debatte um eine wirksame Kontrolle der Geheimdienste haben jedoch gerade erst begonnen.

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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