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Comeback der Vorratsdatenspeicherung: Wie wird das neue Gesetz aussehen?

avatar  Niko Härting

Die Vorratsdatenspeicherung kommt zurück. Seit Wochen arbeiten Ministerialbeamte an einem neuen Gesetzesvorschlag. Ein ehrgeiziges Vorhaben, da sowohl der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH vom 8.4.2014, Az. C-293/12 und C-594/12, ITRB 2014, 175 ff, (Rössel) = CRi 2014, 142 ff. = CR 2015, 86 ff.) als auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG vom 2.3.2010, Az. 1 BvR 256/08, CR 2010, 232 ff. m. Anm. Heun) einer Vorratsdatenspeicherung enge Grenzen gesetzt haben.

 

Speicherumfang und Speicherdauer – welche Möglichkeiten hat der Gesetzgeber noch?

Das BVerfG hat es 2010 für grundsätzlich zulässig erachtet, anlasslos und flächendeckend sämtliche Telekommunikationsdaten sechs Monate lang gespeichert zu halten:

„Eine sechsmonatige anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten für qualifizierte Verwendungen im Rahmen der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der Aufgaben der Nachrichtendienste … ist danach mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar. Der Gesetzgeber kann mit einer solchen Regelung legitime Zwecke verfolgen, für deren Erreichung eine solche Speicherung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet und erforderlich ist. Einer solchen Speicherung fehlt es auch in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht von vornherein an einer Rechtfertigungsfähigkeit. Bei einer Ausgestaltung, die dem besonderen Gewicht des hierin liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung trägt, unterfällt eine anlasslose Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht schon als solche dem strikten Verbot einer Speicherung von Daten auf Vorrat im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts…“
(BVerfG vom 2.3.2010, Az. 1 BvR 256/08, CR 2010, 232 (234 bei IV. von .1 bzw. Rz. 205))

Der EuGH war in seiner Entscheidung zu der EU-Richtlinie 2006/24 (Vorratsdatenspeicherung) deutlich strenger:

„Die Richtlinie 2006/24 … gilt also auch für Personen, bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte. Zudem sieht sie keinerlei Ausnahme vor, so dass sie auch für Personen gilt, deren Kommunikationsvorgänge nach den nationalen Rechtsvorschriften dem Berufsgeheimnis unterliegen.

Zum anderen soll die Richtlinie zwar zur Bekämpfung schwerer Kriminalität beitragen, verlangt aber keinen Zusammenhang zwischen den Daten, deren Vorratsspeicherung vorgesehen ist, und einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit; insbesondere beschränkt sie die Vorratsspeicherung weder auf die Daten eines bestimmten Zeitraums und/oder eines bestimmten geografischen Gebiets und/oder eines bestimmten Personenkreises, der in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt sein könnte, noch auf Personen, deren auf Vorrat gespeicherte Daten aus anderen Gründen zur Verhütung, Feststellung oder Verfolgung schwerer Straftaten beitragen könnten.“
(EuGH vom 8.4.2014, Az. C-293/12 und C-594/12, CR 2015, 86 (89 Rz. 58 f.))

Eine flächendeckende Speicherung sämtlicher Telekommunikationsdaten hat der EuGH für unvereinbar mit Art. 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta (GRCh) erklärt und verlangt, dass keine Daten gespeichert werden, die durch ein Berufsgeheimnis geschützt werden. Zudem hat der EuGH eine Beschränkung auf bestimmte Personen(kreise), Zeiträume und geographische Gebiete gefordert. Zulässig könnte somit ein Verfahren sein, durch das die Telekommunikationsprovider per behördlicher Anordnung verpflichtet werden, Verbindungsdaten zu speichern, die gewissen Kriterien entsprechen, die in der Anordnung vorgesehen sind.

 
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Wie könnte ein Gesetzesentwurf aussehen?

Vorstellbar erscheint damit ein Gesetzesentwurf mit folgenden Eckdaten:

  • Speicherumfang:  Polizeibehörden oder auch Geheimdienste können per Anordnung von den Telekommunikationsprovidern die Speicherung bestimmter Daten verlangen. Diese Daten werden nach geographischen Kriterien (z.B. „alle Anschlussinhaber im Raum Bremen“) festgelegt. Auch andere Kriterien sind denkbar (z.B. „alle Anschlüsse der Inhaber von Internetcafés in Braunschweig“).
  • Speicherdauer:  Die Anordnungen sind zeitlich befristet (z.B. auf drei Monate) und können verlängert werden, wenn die Anordnungsgründe (z.B. Gefahrenlage im Raum Bremen) fortbestehen.
  • Ausnahmen:  Die Verbindungsdaten von Ärzten, Anwälten, Geistlichen und anderen Berufsgeheimnisträgern müssen vom Provider herausgefiltert werden, eine Speicherung ist unzulässig.

Mit diesen Eckdaten könnte ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zumindest eine kleine Chance haben, den strengen Kriterien des EuGH zu genügen.

Mit der Bestimmung des Speicherumfangs und der Speicherdauer ist es für den Gesetzgeber zudem längst nicht getan. Sowohl der EuGH als auch das BVerfG haben zahlreiche Verfahrensregelungen gefordert, die einen Missbrauch der Daten (!) vermeiden und die Nutzung der Daten nur im Ausnahmefall erlauben sollen.

Die Hausaufgabe, die die Minister ihren Beamten offenkundig gegeben haben, ist somit alles andere als einfach. Man darf auf den Gesetzesentwurf gespannt sein.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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