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Neue Urheberabgabe für das Internet?

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Am 28. Oktober 2014 hat Günther Oettinger, der designierte Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft in einem Interview mit dem Handelsblatt angekündigt, das Urheberrecht in der EU weiter zu harmonisieren. Zu diesem Zweck müsse zunächst eine Definition für das geistige Eigentum im Internet gefunden und die Rechte der Urheber geregelt werden. In diesem Zusammenhang plant er auch, eine Vergütung für die Nutzung geistigen Eigentums einzuführen, die nicht nur von privaten Nutzern, sondern auch von Unternehmen zu bezahlen sei.

Zitiert wird die Aussage, dass „wenn Google intellektuelle Werte aus der EU bezieht und damit arbeitet, dann die EU diese Werte schützen und von Google eine Abgabe dafür verlangen“. Die vorangegangenen Versuche einer Reform des Systems der Urheberabgaben in Europa seien an unterschiedlichen Vorstellungen verschiedener Generaldirektionen gescheitert.

Oettinger möchte zudem, dass Verwertungsgesellschaften künftig ihre Dienstleistungen für den gesamten europäischen Markt erbringen, sodass ein Onlineanbieter nur noch einen einzigen Vertrag schließen müsse, um eine in der gesamten Europäischen Union gültige Vertriebslizenz zu bekommen.

Kontext zum Leistungsschutzrecht für Verleger

Die Nachricht kam ein paar Tage nachdem die Versuche der VG Media, das Leistungsschutzrecht für Verleger durchzusetzen, einen herben Rückschlag erlitten hatten.

  • Widerrufliche Gratiseinwilligung gegenüber Google

In einer Presseerklärung vom 22.10.2014 gab die VG Media an, von Presseverlegern ganz überwiegend angewiesen worden zu sein, ab dem 23.10.2014 gegenüber Google eine widerrufliche Gratiseinwilligung in die unentgeltliche Nutzung ihrer Presseerzeugnisse zu erklären. Der Versuch der VG Media, ihren am 13.6.2014 veröffentlichten Tarif für die Nutzung des Leistungsschutzrechts für Verleger durchzusetzen, wurde hierdurch konterkariert.

Die Verleger reagierten hiermit auf eine Mitteilung im Google Produkt Blog des Managing Directors von Google Deutschland, der als Reaktion auf eine Klage der VG Media ankündigte, künftig Snippets und Thumbnails einiger Verleger nicht mehr anzeigen zu wollen, sondern die Anzeige künftig nur noch auf dem Link zum Artikel sowie es in Überschrift zu reduzieren. Andere große deutsche Anbieter hatten die Inhalte von Mitgliedern der VG Media einer Meldung des Medienjournalisten Niggemeier zufolge vollständig aus ihren Suchergebnissen entfernt.

  • Position des Bundeskartellamts zu Kartellrechtsverstoß und Kontrahierungszwang

Parallel hierzu konnte in der Presse die Diskussion über einen angeblichen Abschlusszwang seitens Google bzw. einen Kartellrechtsverstoß durch die geplante Verkürzung der Suchergebnisse verfolgt werden, in deren Zusammenhang der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, anlässlich einer Podiumsdiskussion auf den Medientagen in München sich reserviert gegenüber dem Verlangen der VG Media zeigte. Durch das Leistungsschutzrecht für Verleger sei ein Abwehrrecht geschaffen worden, hieraus allein könne man kartellrechtlich aber Unternehmen wie Google nicht verpflichten, außer Überschriften auch längere Textausschnitte in die Auflistung der Suchergebnisse aufzunehmen und dafür dann ein Entgelt zahlen zu müssen. Einen derartigen Kontrahierungszwang gebe das 2013 beschlossene Gesetz nicht her, so Mundt. Die VG Media nahm in ihrer Presseerklärung vom 23.10.2014 auf ihre Äußerungen ausdrücklich Bezug und erklärte die Reaktion der Presseverleger u.a. damit, dass diesen anderen falls Umsatzeinbußen drohen würden.

Konzept der geplanten EU-Urheberabgabe

Oettingers nunmehr im Handelsblatt angekündigten Pläne scheinen auf einem vergleichbaren Konzept zu basieren. Urheberabgaben sollen nun als Lösung dienen, um die rechtliche Diskussion über die Grenzen eines kartellrechtlichen Kontrahierungszwangs zu vermeiden. Ob eine Vergütung anfällt oder nicht, wird üblicherweise als hinreichender Grund für eine unterschiedliche Behandlung betrachtet, welcher jeden Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung wiederlegt.

  • Hintergrund zum Abgabensystem

Das System von Urheberabgaben wurde 1965 mit dem Urhebergesetz eingeführt wurde, um Musikautoren eine Entschädigung für Schäden und Lizenzeinbußen durch das Marktversagen in Folge des Aufkommens von Tonbandaufzeichnungsgeräten zu schaffen. Das Fehlen eines vergleichbaren Marktversagens war eines der volkswirtschaftlichen Argumente, die in der Diskussion um das durchaus umstrittene Leistungsschutzrecht in den vergangenen Jahren immer wieder angeführt wurde. Immaterialgüterrechtler hatten zudem in Frage gestellt, ob ein Leistungsschutzrecht wirklich ein sinnvoller Weg zum Schutz und zur Finanzierung von Qualitätsjournalismus wäre.

  • Volkswirtschaftlicher Effekt ähnlich „Internetsteuer“

Die meisten der zwischen 2010 und 2013 im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht vorgebrachten Argumente werden in der aufkommenden Diskussion über Oettingers Pläne für eine neue Urheberabgabe sicher wieder auftauchen. Nachdem der volkswirtschaftliche Effekt von Urheberabgaben ähnlich dem von Steuern ist, werden hierbei aller Wahrscheinlichkeit auch Argumente auftauchen, die dem Kommentar von Neelie Kroes, der scheidenden EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, zu den Plänen der ungarischen Regierung ähneln, eine „Internetsteuer“ einzuführen. Am 23.10.2014 hatte sie derartige Pläne als Schande bezeichnet, ihr Sprecher Ryan Heath bezeichnete die Internetsteuer in einer Pressekonferenz als „schreckliche Idee“. Die Regierung Orbán hat den Plan einer Internetsteuer am 31.10.2014 fallen lassen.

Fazit

Uns erwartet insofern eine sehr lebhafte Diskussion – wie anlässlich jeder Diskussion um die Reform von Urheberabgaben in Europa. Bühne frei!

 

Quellen:

„Schutz geistigen Eigentums bis 2016: EU plant Urheberrechtsabgabe im Internet“, Handelsblatt v. 28.10.2014

„Google lehnt ‚Waffenruhe‘ ab – Presseverlage beugen sich Druck Googles und lassen VG Media Gratiseinwilligung für Rechtenutzung erteilen“, Presseerklärung der VG Media v. 22.10.2014

Philipp Justus, „News zu News bei Google“, Google Produkt-Blog v. 1.10.2014

Stefan Niggemeier, „Leistungsschutz­recht wirkt: Mehrere Suchmaschinen zeigen Verlagsseiten nicht mehr an“, Post v. 15.9.2014

„Panel 142: Medienpolitik und Wettbewerb – Das Bundeskartellamt im Kreuzverhör“, Medientage München v. 22.10.2014

Ungarn: Orbán zieht umstrittene Internetsteuer zurück„, Spiegel Online v. 31.10.2014

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