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VGH Baden-Württemberg: Kein TK-Geheimnis für Privatmails am Arbeitsplatz

avatar  Niko Härting

Seit mehr als einem Jahrzehnt diskutieren Experten feinsinnig, wie sich private von dienstlichen E-Mails unterscheiden lassen. In seitenlangen Betriebsvereinbarungen und komplizierten Vertragsklauseln wird geregelt, ob und unter welchen Voraussetzungen Beschäftigte ihren betrieblichen Mailaccount nutzen dürfen, um dem Neffen einen Geburtstagsgruß und der Partnerin einen Urlaubsvorschlag zu schicken. Immer noch hört man Empfehlungen, Arbeitnehmern das private Mailen am besten vollständig zu untersagen. Ein typisches Beispiel für schlechten Anwaltsrat: Wasserdicht und sicher und zugleich lebensfremd und unpraktikabel.

Ausgangspunkt in der Literatur

Alle Ratschläge zu Privatmails fußten auf einem festen Glauben: Der Arbeitgeber, der seinen Angestellten die Privatnutzung von Mailaccounts gestatte, werde damit zum TK-Anbieter. Und als TK-Anbieter gelte das Fernmeldegeheimnis (§ 88 TKG). Jeder Blick in den Account sei daher verboten und potenziell strafbar (§ 206 StGB).

Die rigide und zum Teil gebetsmühlenartig verbreitete Auffassung zum TK-Geheimnis am Arbeitsplatz war nie ganz unumstritten. Zurecht: Denn lange Zeit gab es keine einzige Gerichtsentscheidung zu dieser Frage. In den letzten Jahren änderte sich dies. Und siehe da:

Ansatz der Rechtsprechung

Erst verneinten zwei Landesarbeitsgerichte die Anwendbarkeit des TKG. Dann schloss sich das VG Karlsruhe im Fall Mappus diesen Gerichten mit ausführlicher Begründung an (dazu schon Härting, „VG Karlsruhe: Kein TK-Geheimnis für private Mails am Arbeitsplatz (Fall Mappus)“, CRonline Blog v. 4.6.2013). Und zuletzt hat der VGH Baden-Württemberg dem VG Karlsruhe beigepflichtet und brauchte dafür nicht mehr als einen Halbsatz:

„Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zum Löschungsanspruch des Klägers dargelegt, dass dieser sich nicht zusätzlich auf § 88 TKG berufen kann…“
(VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 30.7.2014 – 1 S 1352/13,  juris.de Rz. 79)

Fazit

Hoffentlich spricht es sich jetzt endlich herum: Dass Privatmails am Arbeitsplatz dem TK-Geheimnis unterliegen und für den Arbeitgeber tabu sind, steht nicht im Gesetz. Alle Gerichtsentscheidungen, die es zu dieser Frage in den letzten fünf Jahren ergangen sind, haben einen Schutz durch das TKG verneint. Einen Unterschied zwischen dienstlichen und privaten Mails gibt es weder juristisch noch in der betrieblichen Wirklichkeit.

Vgl. auch Härting, „VG Karlsruhe: Kein TK-Geheimnis für private Mails am Arbeitsplatz (Fall Mappus)“, CRonline Blog v. 4.6.2013

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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