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Die Rechtsprechung zur Buttonlösung schießt über das Ziel hinaus

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@Felix_CGN

Bereits ein Jahr vor Ablauf der Umsetzungsfrist hatte Deutschland einen Teil der Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) in das nationale Recht umgesetzt, nämlich die unter dem Schlagwort „Buttonlösung“ bekannt gewordene Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 VRRL zur Gestaltung von Bestellschaltflächen im elektronischen Geschäftsverkehr. Damit sollten die damals grassierenden „Abo-Fallen“ eingedämmt werden. Die erste Rechtsprechung zu § 312j Abs. 3 und 4 BGB (§312g Abs. 3 und 4 a.F.) sorgt aber ihrerseits für Rechtsunsicherheit und stellt unnötig strenge Anforderungen an Unternehmer.

Bisherige Kritik an der Regelung

In der Fachwelt ist die Vorschrift eher kritisch aufgenommen worden.

Zur Bekämpfung des Betrugs (so BGH, Urt. v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, juris) mit „Abo-Fallen“ wäre sie strenggenommen gar nicht erforderlich gewesen, da die Rechtsprechung auch vorher schon die dort angeblich geschlossenen Verträge zutreffend für unwirksam oder zumindest frei widerruflich und anfechtbar hielt.

Auch die Rechtsfolge, also das „nicht Zustandekommen“ von Verträgen bei Verstoß gegen diese Gestaltungsvorschriften, wirft dogmatische Fragen auf (siehe schon Kirschbaum, „Die gesetzliche Neuregelung der sog. „Internetfalle” – Zur dogmatischen Einordnung des § 312g Abs. 3 und 4 BGB n.F.“, MMR 2012, 8).

Stoßen mag man sich auch an der sperrigen Formulierung des „zahlungspflichtig bestellen“ und dem (scheinbaren) Widerspruch zwischen der Pflicht, die Schaltfläche mit „nichts anderem“ als diesen Worten zu beschriften und dem Recht, auch eine andere „entsprechend eindeutige“ Formulierung zu wählen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich dann, dass das Tatbestandsmerkmal „nichts anderes“ nur ausschließen soll, dass die „entsprechende eindeutige“ Formulierung zwischen allerlei sonstigen, irrelevanten Informationen versteckt wird (Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/7745), S. 12). Hinreichende Hinweise auf die Kostenpflicht sollen sich nach der Begründung etwa auch mit den Begriffen „kaufen“ oder „kostenpflichtig bestellen“ geben lassen.

Erste Rechtsprechung

Wegen der frühen Umsetzung ist die Buttonlösung der erste Komplex der VRRL, zu dem schon Rechtsprechung vorliegt. Leider machen diese Judikate die Handhabung der Vorschrift auch nicht einfacher – und wischen insbesondere die zarten Ansätze einer praxisnahen Auslegung aus der Gesetzesbegründung vom Tisch.

  • „Jetzt anmelden“ reicht (natürlich) nicht (AG Bonn und AG Mönchengladbach)

Wenig überraschend sind noch die Entscheidungen des AG Bonn (Urt. v. 25.4.2013 – 115 C 26/13, juris) und des AG Mönchengladbach (Urt. v. 16.7.2013 – 4 C 476/12, juris): Danach ist die bloße Beschriftung “Jetzt anmelden” nicht ausreichend um die gesetzlichen Verbraucherschutzvorschriften zu erfüllen. Diese Formulierung wäre auch in der Tat nicht geeignet, dem Zweck des Gesetzes entsprechend gerade auf die Kostenpflicht hinzuweisen.

  • „Jetzt verbindlich anmelden“ mit Zusatz „zahlungspflichtig“ reicht nicht (LG Berlin)

Einen Schritt weiter gedacht hatte offenkundig ein Online-Reiseveranstalter, der seine Bestell-Schaltfläche mit “Jetzt verbindlich anmelden (zahlungspflichtiger Reisevertrag)” beschriftete. Dem LG Berlin genügt diese Gestaltung nicht (LG Berlin, Urt. v. 17.07.2013 – 97 O 5/13, juris): Die Schaltfläche sei zwar gut lesbar, verwende aber nicht – erst recht nicht ausschließlich – die Worte “zahlungspflichtig bestellen”. Ebenso fehle es an einer “entsprechenden eindeutigen Formulierung”. Das Wort “anmelden” reiche nicht, weil diese Handlung „noch eine Vorbereitungshandlung sei – ob “verbindlich” oder nicht, ob zu einem “zahlungspflichtigen Reisevertrag” oder nicht“. Schließlich seien „längere Texte“ von vornherein unzulässig, da sie die Eindeutigkeit beeinträchtigten.

Ablehung von „zahlungspflichtig“ in Widerspruch zur Gesetzesbegründung

Mit dieser besonders strengen Interpretation schießt das LG Berlin allerdings wohl über die ausdrücklich in Bezug genommene gesetzgeberische Intention hinaus. Das Urteil wird damit widersprüchlich. Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung durchaus entnehmen, dass der Begriff “Anmeldung” nicht genügen soll, weil er nicht eindeutig genug eine Zahlungspflicht erkennen lasse. Das gleiche gelte aber, so die Begründung, für den Begriff “bestellen” (S. 12 der Begründung). Ganz offensichtlich war der Richtliniengeber der Meinung, dass der Zusatz “zahlungspflichtig” die entsprechende Eindeutigkeit dann herstelle – sonst hätte er in der VRRL kaum die Formulierung “zahlungspflichtig bestellen” als Standardformulierung vorgesehen.

Länge der Button-Beschriftung

Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die Ansicht, dass die Beschriftung des Buttons zu lang sei. Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass die Alternativformulierung die gleiche Länge (oder Kürze) haben muss wie der Standardtext “zahlungspflichtig bestellen”. Sie muss lediglich genau so eindeutig sein. Ein Verstoß gegen die Pflicht, “nichts anderes” auf dem Button unterzubringen, dürfte nur bejaht werden, wenn zu der eindeutigen Formulierung zur Zahlungspflicht noch weitere, inhaltlich damit nicht in engem Zusammenhang stehende Informationen hinzutreten. Dass aber der aus nur 5 Wörtern bestehend Hinweis auf eine „verbindliche“ Anmeldung und den Abschluss eines „zahlungspflichtigen“ Vertrags einen Verbraucher aufgrund seiner Länge oder Komplexität verwirren, oder überhaupt im Sinne einer Gratisleistung missverstanden werden kann, erscheint einigermaßen lebensfremd. Diese Formulierungen erscheinen im Gegenteil sogar deutlich klarer als ein “zahlungspflichtig bestellen” oder “kaufen” im Zusammenhang mit einem Vertragstyp wie einem Reisevertrag.

  • „Kaufen“ reicht auch nicht? (AG Köln)

Das AG Köln (Urt. v. 28.04.2014 – 142 C 354/13, juris) schließlich hält sogar die Beschriftung mit „Kaufen“ nicht für hinreichend und stellt sich damit ausdrücklich gegen die Gesetzesbegründung der Regierung. Der Gesetzestext verlange, dass die Erklärung des Kunden insbesondere deutlich mache, dass der Kunde eine Zahlungspflicht eingeht. Gerade dieser Rechtsbindungswille sei durch den Begriff „Kauf“ nicht ausreichend betont. Das AG Köln verweist dabei auf Modelle wie den Kauf auf Probe, die nicht unbedingt eine Zahlungspflicht nach sich ziehen. Den Gesetzesmaterialien misst das AG Köln lediglich erklärenden, nicht aber bindenden Charakter zu. Mit einer schlüssigen Auslegung der gesetzlichen Regelung sei die Beschriftung mit dem Wort „Kauf“ jedenfalls nicht vereinbar.

Zur Ehrenrettung des AG Köln sei gesagt, dass die Gestaltung, über die zu entscheiden war, gerade nicht nur einen rein mit “kaufen” beschrifteten Button betraf, sondern wirklich eine Unklarheit aufwies – neben dem Bestell-Link stand nämlich „Zum bestellen und kaufen nur noch eine Bestellmail“, als wären bestellen und kaufen zwei unterschiedliche Dinge. Die Ausführungen des AG Köln zum Begriff „kaufen“ sind also eigentlich obiter dicta. Außerdem wurde die Berufung ausdrücklich zugelassen (es ist allerdings nicht bekannt ob die Berufung auch eingelegt wurde). Die allgemeinen Ausführungen des Gerichts gehen trotzdem zu weit. Die Entscheidung des AG Köln widerspricht insbesondere dem Praxisbefund in der jüngst veröffentlichten Evaluierungsstudie zur Buttonlösung (vgl. Hilgert, „Reicht auch ‘Kaufen’ nicht? Button-Lösung auf dem Prüfstand“, online.spiele.recht v. 22.9.2014). Der Begriff “kaufen” als solcher verwirrt Verbraucher nicht, sondern wird in der Alltagssprache eindeutig als Abschluss eines kostenpflichtigen Vertrags verstanden. Er ist, unbefangen betrachtet, für den Laien sogar noch deutlicher als das gestelzt-juristische “zahlungspflichtig bestellen“.

  • “Jetzt anmelden” plus Zusatz doch ausreichend? (LG Leipzig)

Um eine kombinierte Formulierung ging es auch vor dem LG Leipzig (Urt. v. 26.7.2013 – 08 O 3495/12). Hier hatte der Betreiber einer Handelsplattform die Worte “Jetzt anmelden” auf dem Button noch um den in deutlich kleinerer Schrift gehaltenen Vermerk “gewerblichen Zugang zahlungspflichtig bestellen” ergänzt. Dass es bei einem auf Gewerbetreibende ausgerichteten Portal überhaupt die Verbraucherschutzvorschriften über die Buttonlösung anwendet, begründet das LG Leipzig damit, dass die Beschränkung auf Gewerbetreibende als Kunden nicht hinreichend transparent kommuniziert würde. Der Formulierung hat das LG Leipzig eine deutliche Absage erteilt, stellt dabei aber interessanterweise nicht darauf ab, dass der Button zu viel Text enthalte – es hält nur den Zusatz für zu klein und damit nicht für “gut lesbar”.

Dem könnte man entnehmen, dass die kombinierte Formulierung für das LG Leipzig bei entsprechend größerer Schrift den gesetzlichen Anforderungen genügt hätte. Dieses Ergebnis ist aber mit Vorsicht zu genießen. Denn für die Entscheidung des LG Leipzig kam es auf diesen Aspekt nicht mehr an.

Fazit

Die instanzgerichtliche Rechtsprechung stellt an die Beschriftung des Buttons extrem strenge Anforderungen in Hinblick auf Kürze und Eindeutigkeit der gewählten Formulierung. Angesichts des strengen Begriffsverständnisses des LG Berlin wäre sogar ein “zahlungspflichtig anmelden” – das nach der Gesetzesbegründung eigentlich ausreichen dürfte – noch mit einem gewissen rechtlichen Risiko behaftet. Für zahlreiche Vertragstypen aber wirkt die Formulierung „zahlungspflichtig bestellen“ fehl am Platz und könnte einen Verbraucher wirklich verwirren. Das gilt insbesondere für Dienstleistungen oder die Bereitstellung von Inhalten, die sofort digital erfolgt (etwa durch Download eines Films oder Freischaltung von Funktionen in einem Onlinespiel). Es bleibt zu hoffen, dass höhere Instanzen bald Gelegenheit bekommen, die Vorgaben der VRRL und ihrer BGB-Umsetzung mit etwas mehr Augenmaß auszulegen.

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