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NSA und BND: Rechtsgrundlagen, Gemeinsamkeiten, Unterschiede

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I. Was ist über die Art und den Umfang von Abhöraktivitäten bekannt?

  • USA:  Die NSA scheint bemüht zu sein, Metadaten über Kommunikationsvorgänge geradezu flächendeckend zu erfassen. Metadaten sind Daten über Kommunikationsvorgänge (z. B. Anrufe; Einwahl in das Internet). Auch die Inhalte der Kommunikation (z. B. einzelne E-Mails) werden in großem Umfang gesammelt und gespeichert. Ein klares Bild über das Ausmaß der Maßnahmen gibt es allerdings nicht (vgl. etwa „Fact and Fiction in the NSA Surveillance Scandal“, Slate.com 26.6.2013).
  • Deutschland:  Aus den jährlichen Berichten der PKrG ist seit geraumer Zeit bekannt, dass der BND systematisch E-Mails mit Suchbegriffen durchforstet. Es geht hier ausschließlich um die Inhalte, über Maßnahmen der Erfassung von Metadaten ist nichts bekannt. Allein im Jahre 2010 führte die Suche des BND nach verdächtigen Mailinhalten zu mehr als 37 Mio. „Treffern“, die „auf nachrichtendienstliche Relevanz geprüft“ (d. h. gelesen) wurden (Härting, „Bundesregierung bestätigt: BND prüfte 2010 die ‚nachrichtendienstliche Relevanz‘ von 37 Mio. Mails“, CRonline Blog v. 24.5.2012).

 II. Sind die Abhörmaßnahmen der Geheimdienste verfassungswidrig?

  • USA:  Gegen die Abhörbefugnisse der NSA gab es eine Klage von Amnesty International und anderen Bürgerrechtsorganisationen.  Im Februar 2013 wies das US Supreme Court die Klage ab. Begründung: Die Bürgerrechtler hätten nicht hinreichend darlegen können, dass sie selbst von Abhörmaßnahmen der NSA betroffen sind (Clapper v. Amnesty International, Supreme Court of the United States, decision of 26 February 2013 – 638 F. 3d 118).
    Die Informationen über „Prism“, die Edward Snowden publik gemacht hat, könnten die Aussichten neuer Klagen verbessern. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU hat bereits eine neue Klage eingereicht, über die ein New Yorker Gericht am 25.7.2013 erstmals verhandelt hat („Court Hearing Thursday in ACLU Challenge NSA to Phone Spying Program“, aclu.org v. 24.7.2013).
  • Deutschland:  Zu den Abhörbefugnissen des BND gibt es nur zwei Entscheidungen des BVerfG aus den Jahren 1984 und  1999. Die Abhörbefugnisse wurden im Jahre 2001 (vor dem 11. September) erheblich erweitert, Verfassungsbeschwerden gab es nach 2001 nicht.

III. Können sich Ausländer gegenüber den Geheimdiensten auf Datenschutzrechte berufen?

  • USA:  Nein, die NSA ist ein Auslandsnachrichtendienst, der lediglich die verfassungsmäßigen Rechte von US-Bürgern wahren muss, nicht jedoch die Rechte ausländischer Staatsangehöriger.
  • Deutschland:  Nein, der BND ist nach § 1 Abs. 2 Satz 2 BND-Gesetz an Datenschutzrechte nur gebunden, soweit er in Deutschland operiert (vgl. Mascolo, „Internationale Datenaffäre: Die Außenwelt der Innenwelt“ , FAZ v. 25.6.2013: „Bürger aller anderen Nationalitäten sind auch für den BND vogelfrei“ [unter „Die Macht im Verborgenen“; Hervorhebung nicht im Original]).

IV. Fühlen sich die Geheimdienste an ausländisches Recht gebunden?

  • USA:  Nein, die NSA ist verpflichtet, amerikanisches Recht zu beachten. Dass die NSA Rechtsvorschriften anderer Länder verletzt, steht außer Zweifel.
  • Deutschland:  Auch beim BND ist sicher davon auszugehen, dass sich der Geheimdienst über Rechtsvorschriften anderer Länder hinwegsetzt, wenn er – entsprechend seiner Aufgaben – im Ausland operiert.

 V. Welche Bedeutung hat das Europarecht?

  • USA:  Brüssel kann Gesetze erlassen, um die Aktivitäten amerikanischer Geheimdienste einzudämmen. Da sich amerikanische Dienste nicht an ausländisches Recht halten, würden EU-Gesetze jedoch nur dann Wirkungen entfalten, wenn die EU mit den USA internationale Abkommen schließen würde, die die Vertragspartner zu Beschränkungen der geheimdienstlichen Aktivitäten verpflichten.
  • Deutschland:  Für den gesamten Bereich der „nationalen Sicherheit“ gilt kein Europarecht. Das geplante EU-Datenschutzpaket wird daher nicht für die Geheimdienste der 28 EU-Mitgliedsstaaten gelten. Und bislang gibt es unter den EU-Mitgliedsstaaten noch nicht einmal ein Ãœbereinkommen, das die Dienste der Mitgliedsstaaten verpflichtet, auf eine Bespitzelung der Bürger anderer Mitgliedsstaaten zu verzichten (vgl. Mascolo, „NSA Affäre: Angela Merkels historische Chance“, FAZ vom 8.7.2013: „Es wäre ein großer, vielleicht sogar ein historischer Moment für Europa, wenn sich 28 Nationen verpflichteten, auf gegenseitige Ausspähung zu verzichten.“ [unter „Rechtsstaat gegen Geheimdienst-Logik“])

 VI. Gibt es ein Gericht, das die Abhörmaßnahmen der Geheimdienste kontrolliert?

  • USA:  Für Abhörmaßnahmen der NSA gibt es – vor jeder Abhörmaßnahme – eine gerichtliche Kontrolle durch den United States Foreign Intelligence Surveillance Court (FISA Court). Der FISA Court ist ein umstrittenes Geheimgericht, dessen Entscheidungen nicht veröffentlicht werden (siehe Wikipedia zu „United States Foreign Intelligence Surveillance Court“).
  • Deutschland:  Der BND braucht für Abhörmaßnahmen keinerlei gerichtliche Erlaubnis. § 13 G10-Gesetz schließt den Rechtsweg zudem weitgehend aus.

VII. Gibt es eine parlamentarische Kontrolle?

VIII. Gibt es eine Kontrolle durch die Regierung?

  • USA:  Die Geheimdienste werden kontrolliert durch das Intelligence Advisory Board (IOB) des amerikanischen Präsidenten.
  • Deutschland:  Nach § 10 Abs. 1 G10-Gesetz benötigt der BND für Abhörmaßnahmen eine Anordnung des Bundesinnenministeriums. Das Ministerium unterliegt dabei Abstimmungsverpflichtungen mit der G10-Kommission. Die Mitglieder der G 10-Kommission sind in ihrer Amtsführung unabhängig und Weisungen nicht unterworfen. Sie nehmen ein öffentliches Ehrenamt wahr und werden von dem PKrG nach Anhörung der Bundesregierung für die Dauer einer Wahlperiode des Deutschen Bundestages bestellt (§ 15 Abs. 1 G10-Gesetz).

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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