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Prism und Tempora: Konsequenzen für Deutschland

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1. Globales Phänomen:  Die Überwachung des Internet durch Nachrichtendienste ist ein globales Problem. In allen Ländern der Welt, in denen es Dienste wie die NSA und den BND gibt, findet eine heimliche Kontrolle der Online-Kommunikation statt.

2. Nationale Kontrolle:  Es ist die Aufgabe eines jeden nationalen Gesetzgebers, den Befugnissen der Nachrichtendienste Grenzen zu setzen. Hierzulande sollten wir unsere Augen auf die eigenen Dienste richten und die Befugnisse und Praktiken des BND, des MAD und der Verfassungsschutzbehörden kritisch hinterfragen.

3. Internationales Defizit:  Dass Dienste aus aller Welt spitzeln und ein deutsches Gesetz zwar den BND, nicht jedoch die russischen, chinesischen, britischen und amerikanischen Dienste bremsen kann, ist ein Phänomen, das wir aus vielen anderen Themenbereichen kennen und das letztlich eine Herausforderung der Globalisierung und des technischen Fortschritts ist. Es bedarf internationaler Abkommen zur Begrenzung der Befugnisse der Dienste. Dass in internationalen Abkommen (auch in dem EU-Datenschutzpaket) Fragen der „nationalen Sicherheit“ stets ausgeklammert werden, ist ein Missstand, auf den der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar heute zurecht hingewiesen hat (Schaar, „Erst ‚PRISM‘, nun ‚Tempora‘: Lässt sich die globale Ãœberwachung noch eindämmen?“, Datenschutz Forum v. 23.7.2013).

4. Besetzung nationaler Kontrollorgane:  Die G10-Kommission ist die oberste Kontrollinstanz der Nachrichtendienste in Deutschland. Sie tagt geheim, die Mitglieder der G10-Kommission sind verdiente Politiker und Honoratioren. Der derzeitige Vorsitzende ist Hans de With, ein Staatssekretär aus der Regierung von Bundeskanzler Helmut Schmidt. Sein Stellvertreter ist Erwin Marschewski, ein ehemaliger Bundestagabgeordneter. Hans de With hat dieses Jahr seinen 81. Geburtstag gefeiert, Erwin Marschewski ist 73 Jahre alt. Eine solche Doppelspitze würde man eher in einer ehrwürdigen politischen Stiftung als in einem Kontrollorgan vermuten, das die Bürgerechte gegen einen technisch hochgerüsteten Überwachungsapparat schützen soll.

5. „geheim“ ≠ „transparent“:  Nachrichtendienste können nicht transparent arbeiten. Es gehört gerade zu ihrem Wesen, geheim zu arbeiten. Bei vollständiger Transparenz gäbe es keinen Grund mehr, Aufgaben den Polizei- und Sicherheitsbehörden zu entziehen und den Nachrichtendiensten zu übertragen. Wer meint, mit Datenschutzgesetzen, einer richterlichen Kontrolle oder sogar einem Informationsfreiheitsgesetz Bürgerrechte gegen die Dienste schützen können, argumentiert naiv.

6. Legitimation und rechtsstaatliche Kontrolle?  Statt Transparenz muss die Forderung an den deutschen Gesetzgeber lauten, die Befugnisse der Nachrichtendienste einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Wo es keine überzeugende Gründe für eine Zuständigkeit der Dienste gibt, sollten deren Aufgaben an die „normalen“ Sicherheitsbehörden abgegeben werden, die einer vollumfänglichen rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegen.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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