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Der BND liest mit: Knapp 3 Mio. Mails wurden 2011 kontrolliert

avatar  Niko Härting

Ein neuer Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) liegt vor (Bericht gemäß § 14 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10) über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 dieses Gesetzes (Berichtszeitraum 1.1. – 31.12.2011)  v. 14.3.2013, Bundestags-Ds. 17/12773). Der Bericht bezieht sich auf die nachrichtendienstliche Maßnahmen, die nach dem Artikel 10-Gesetz (G 10) in das Brief-, Post- und Fernmeldegheimnis eingreifen. Der Berichtszeitraum ist das Jahr 2011.

BND durchsucht E-Mails

Der PKrG-Bericht für das Vorjahr sorgte für einiges Aufsehen, ergab sich doch aus dem Bericht, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) im Jahr 2010 E-Mails mit mehr als 30.000 Suchbegriffen durchsucht und mehr als 37 Mio. „Treffer“ ausfindig gemacht hatte (Härting, „Massive Eingriffe in Grundrechte: BND filtert systematisch E-Mails“, CRonline Blog v. 28.2.2012).

Trefferquote

2011 blieb die Zahl der Suchbegriffe mit knapp 30.000 laut dem neuen Bericht nahezu gleich. Die Zahl der „Treffer“ sank jedoch auf knapp 3 Mio.

Die Zahl der „Treffer“ bedeutet, dass der BND 2011 immerhin knapp 3 Mio. Mails  untersucht hat, um festzustellen, welche dieser Mails „nachrichtendienstlich relevant“ sind. Dass eine solche Prüfung mit einer Lektüre von Mails verbunden ist, ist unbestritten, auch wenn der verschwiegene Nachrichtendienst öffentlich keine genaueren Auskünfte über Prüfungsmethoden gibt. Der BND hat auch im Jahr 2011 Mails in beträchtlichem Umfang mitgelesen.

Gründe

Wie ist der Rückgang an „Treffern“ von 37 Mio. Mails (2010) auf knapp 3 Mio. Mails (2011) zu erklären?

Auf S. 7 des aktuellen Berichts wird der auffällige Rückgang, wie folgt, erläutert:

„Der deutliche Rückgang im Jahre 2011 ist auch darauf zurückzuführen, dass der BND das von ihm angewandte automatisierte Selektionsverfahren auch vor dem Hintergrund der Spamwelle im Jahre 2010 zwischenzeitlich optimiert hat. Hierzu haben unter anderem eine verbesserte Spamerkennung und -filterung, eine optimierte Konfiguration der Filter- und Selektionssysteme und eine damit verbundene Konzentration auf formale Suchbegriffe in der ersten Selektionsstufe beigetragen.“

(Bericht gemäß § 14 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10) v. 14.3.2013, Bundestags-Ds. 17/12773, Seite 7 linke Spalte mittig)

  • „Automatisierte Selektionsverfahren“: Auf Deutsch heißt dies wohl, dass der BND Spamfilter eingesetzt hat, um sich nicht der Mühe unterziehen zu müssen, manuell Spam-Mails aussondern zu müssen. Angesichts des üblichen Spamaufkommens von mehr als 90 % könnte allein dies den Rückgang von 37 Mio. Mails auf 3 Mio. Mails erklären.
  • Was mit der „Konzentration auf formale Suchbegriffe in der ersten Selektionsstufe“ gemeint ist, ist unklar. Ob der Verfasser des Berichts, der diese unklare Formulierung verwendet (oder wahrscheinlich: vom BND übernommen) hat, eine präzise Vorstellung davon hatte, was gemeint ist, darf bezweifelt werden. Warum drückt man sich bloß so verschwiemelt aus?

… und Datenschutz?

Fest steht: Auch 2011 wurden immerhin knapp 3 Mio. Mails als „Treffer“ vom BND auf „nachrichtendienstliche Relevanz“ untersucht (sprich: gelesen). Dies – nebenbei – ganz überwiegend nicht im Zeichen des Kampfes gegen den Terrorismus, sondern „im Gefahrenbereich Proliferation und konventionelle Rüstung“, auf gut Deutsch also zur Exportkontrolle. Wer meint, dass Mails in Deutschland vor dem schnüffelnden Staat sicher sind, irrt sich gewaltig.

Deutsche Datenschützer zeigen gerne mit dem Finger auf den unseligen amerikanischen Patriot Act (z.B. „ULD: ‚Datenschutkonformes Cloud Computing ist möglich'“, Pressemitteilung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein v. 13.7.2012). Es wäre hilfreich, wenn sie sich gelegentlich auch einmal mit ähnlicher Energie um die Aktivitäten deutscher Nachrichtendienste kümmern würden.

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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