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Gilt für Facebook Search anderes Recht als für Google Search?

avatar  Niko Härting

Januar 2013 und ein wenig Fantasie: Man stelle sich einmal vor, es gäbe die Google Search noch nicht. Plötzlich wird eine neue Technologie erfunden, die bei der Eingabe eines Namens zahlreiche Treffer anzeigt. „Olivia Jones“ in die Suchmaschine eingetippt – über 1 Million Treffer. Plötzlich und mit einem Schlag kann man in aller Welt und jederzeit sekundenschnell sehr viel über das Leben der Hamburger Drag Queen erfahren. Informationen, Tratsch und Klatsch.

Such-Funktion und Datenschutz

Bei der Einführung und stetigen Verbesserung der Suchtechnologie hat Google weder Olivia Jones noch andere Betroffene um Erlaubnis gefragt. Hieraus könnte man schließen, dass es an Einwilligungen mangelt. Dies wöge umso schwerer, als sich die vielfältigen Informationen, die Google blitzschnell auffindbart macht, zu Persönlichkeitsprofilen zusammenführen lassen. Ein einzigartiger Datenschutzskandal?

Die Anfangszeit von Google Search liegt jetzt etwa 15 Jahre zurück. Als sich die Nutzung von Google Ende der 90er Jahre immer stärker verbreitete, gab es keinen größeren Protest der Datenschützer. Niemand hat ernsthaft behauptet, dass Google verpflichtet gewesen sei, sich der Einwilligung von Personen zu vergewissern, bevor personenbezogene Daten indexiert wurden. Richtig, da im Datenschutzrecht nichts anderes gelten kann als im Urheberrecht: Wer Inhalte online verbreitet, muss damit rechnen, dass diese Inhalte auch gefunden werden. Dies reicht für eine Einwilligung aus (vgl. BGH, Urteil v. 19.10.2011, Az.: I ZR 140/10 – Vorschaubilder II; BGH, Urteil vom 29. April 2010, Az.: I ZR 69/08 – Vorschaubilder).

Facebook Graph Search

Im Jahre 2013 ist das Selbstverständliche nicht mehr selbstverständlich. Die angekündigte Einführung neuer Suchmöglichkeiten bei Facebook („Facebook Graph Search“) beunruhigt die Datenschutzgemeinde. Ein Vertreter der renommierten European Privacy Association äußert dezidiert die Auffassung, dass jeder Facebook-Nutzer gefragt werden müsse, bevor Daten über die neue Suchfunktion zugänglich gemacht werden:

„Sharing, or willing to share, is not the same thing as consent… The user must specifically consent to the way these connections are made and the fact that these connections are done. The user may also object to these connections.“ (Rosario Imperiali zitiert nach „Facebook’s Graph Search ‚Another Experiment'“, DW v. 18.1.2013)

Ideen einesVorrangs der Interessenabwägung

Nach den Vorstellungen des Europaabgeordneten Albrecht soll es Facebook in Zukunft sogar untersagt werden, Daten auf der Grundlage einer Einwilligung der Betroffenen zu verarbeiten (siehe hierzu Härting, „Twitter in Europa demnächst kostenpflichtig? – Brüsseler Diskussion um Einwilligungsverbote“, CRonline Blog v. 22.1.2013). Statt dessen sollen europäische Aufsichtsbehörden anhand eines detaillierten Kriterienkatalogs von Fall zu Fall kontrollieren, ob der Online-Anbieter sich auf „berechtigte Interessen“ berufen kann, die die Datenschutzrechte der Betroffenen im Einzelfall überwiegen (Berichtsentwurf zur DS-GVO, Änderungsanträge 100 bis 102, Seiten 71 – 74).

Gelingen einer Datenschutzreform?

Man hat Mühe, dem vielstimmigen Chor der „Privacy Advocates“ zu folgen. Eines indes ist gewiss: Je überzogener, widersprüchlicher und unübersichtlicher die Forderungen sind, die an neue europäische Regelungen gestellt werden, desto unwahrscheinlicher wird es, dass eine Datenschutzreform tatsächlich gelingt.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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