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Transfer-Informationen zu aktuellen BGH-Entscheidungen bei Beratung – cic

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CSW Rechtsanwälte

In den letzten Jahren hat es kaum Urteile gegeben, die für den IT-Bereich das Verschulden bei Vertragsabschluss – cic – behandelten. In den ersten Jahren des EDV-Rechts war dies noch eine relativ häufig beanspruchte Materie, die erst mit der Schuldrechtsmodernisierung kodifiziert wurde (§ 311 II BGB. Zu Aufklärungs- und Beratungspflichten des Lieferanten bzw. Unternehmers s. Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, 4. Aufl., D Rz. 226 ff.).

Eine der „jüngsten“ Entscheidungen zur Frage von cic des BGH stammt vom 11.11.2011 (V ZR 245/10). Dort ging es v. a. um die Abgrenzung gegenüber Gewährleistungsrecht. Mit gewissen Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks ist die Entscheidung insofern durchaus aber auch für den IT-Bereich heranzuziehen, nämlich für die Frage, wann der Verkäufer seiner Aufklärungspflicht genügt. Nach Ansicht des BGH war dies im konkreten Fall nur dann gegeben, wenn der Verkäufer „aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zwecke allgemeiner Informationen, sondern unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen wird“. Im konkreten Fall lag kein Sachmangel vor, so dass es auf die Abgrenzung von Gewährleistung zu cic (die bei nur fahrlässiger Falschberatung durch Mangelrechte verdrängt wird) bzw. der Frage, ob diese nur fahrlässig oder vorsätzlich erfolgte, nicht ankam. Konkret ging es darum, ob sich aus den Unterlagen ergab bzw. ob die Kunden hätten erkennen können, dass sich aus dem Objekt- und Lageplan ergab, dass die Umfriedung des Grundstücks möglicherweise auch fremden Grund einbezog. Hier könnten sich Parallelen zum (Un-)Verständnis des Kunden hinsichtlich technischer Spezifikationen (etwa inwieweit diese rechtliche Implikationen, z.B. für den benötigten Lizenzumfang bei CPU-Klauseln (Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, 4. Aufl. C. 291 ff., D. 143 ff., J. 57 ff.) ergeben.

Andererseits hat sich im Bereich der IT-Projekte etabliert, dass der Kunde vor Inangriffnahme größerer Projekte, etwa Systemverträgen, Beratung einholt zur Auswahl der für ihn geeigneten Standard-Software, die es dann an die Belange des Kunden anzupassen gilt. Insofern werden von Beratern durchaus Empfehlungen, ggf. auch auf Basis gutachterlicher Äußerungen, abgegeben.

Nun gibt es drei in engem Zusammenhang stehende Entscheidungen des BGH, die solche Beratungsleistungen, allerdings in einem ganz anderen Markt, nämlich im Bereich der Begutachtung von Tieren, betreffen. Deren Berücksichtigung könnte sich im Hinblick auf die Vertragsgestaltung bei mehrseitigen Verträgen und stufenweisem Vorgehen des Auftraggebers empfehlen.

Konkret hat in einem der BGH-Fälle ein Tierarzt eine Ankaufsuntersuchung eines Pferdes vorgenommen und nach Ansicht des BGH dabei seine Pflichten aus dem Vertrag über diese Ankaufsuntersuchung verletzt. Er hat insofern einen unzutreffenden Befund erstellt. Hierfür haftet er „unabhängig von einer etwaigen Haftung des Verkäufers seinem Vertragspartner auf Ersatz des Schadens, der diesem dadurch entstanden ist, dass er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat“ (BGH v. 26.1.2012 – VII ZR 164/11, womit eine Entscheidung des BGH v. 22.12.2011 – VII ZR 7/11 bestätigt wird, ebenso auch eine weitere Entscheidung vom gleichen Tage VII ZR 136/11).

In Verbindung mit den beiden anderen zitierten Urteilen ergibt sich, dass der Besteller nicht etwa verpflichtet wäre, zunächst seinen Lieferanten/Projektvertragspartner in Anspruch zu nehmen. Allenfalls kann es im Einzelfall nach den Maßstäben von Treu und Glauben geboten sein, zunächst den Verkäufer auf Rückabwicklung des Vertrages in Anspruch zu nehmen (dazu BGH v. 22.11.2011 – VII ZR 136/11, worauf der BGH in Rz. 15 der Entscheidung vom 26.1.2012 verweist.

Wenn man sich das Volumen bei Anpassungsverträgen vorstellt, das oft ein mehrfaches des Anschaffungspreises für die Standard-Software umfasst, könnte es durchaus sein, dass der Schaden noch ganz anders als bei einem Pferd nur zu einem geringeren Teil aus der Anschaffung resultiert und zu einem wesentlich größeren aus dieser Anpassung. Erst im Rahmen dieser Anpassung stellt sich zudem häufig für den Besteller heraus, dass die Einsatzempfehlung seitens des Beraters ungeeignet war.

Für den Vertrag mit dem Berater ist diese Konstellation naturgemäß eine erhebliche Herausforderung, der der Berater wiederum auch in seiner Begutachtung Rechnung tragen sollte, nämlich insoweit, als es um die konkreten Aussagen und deren Belastbarkeit geht.

Die fraglichen Entscheidungen sind vom VII. Senat getroffen worden, bei dem Fälle zu scheiternden IT-Projekten landen (s. z. B. BGH v. 25.3.2010 – VII ZR 224/08 zur Softwareanpassung).

 

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