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Facebook-Urteil des LG Berlin: Keine „Grundsatzentscheidung“

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Was ist von dem Facebook-Urteil des LG Berlin zu halten, das der vzbv erstritten hat (LG Berlin vom 6.3.2012, Az. 16 O 551/190)?

I. „Freundefinder“

Im ersten Teil des Urteils geht es um die „Freundfinder“-Funktion. Bei dieser Funktion wird der Facebook-Nutzer dazu animiert, Kontaktdaten (E-Mail-Adressen) auf die Plattform hochzuladen. Es erfolgt dann ein Adressabgleich, und der Nutzer bekommt alle Kontakte angezeigt, die ein Profil bei Facebook haben und noch keine „Freunde“ sind. Der Nutzer kann dann per „Freunschaftsanfrage“ sein Facebook-Netzwerk erweitern.

Der vzbv hat sich mit der Klage nicht gegen die „Freundfinder“-Funktion gewandt. Dementsprechend geht es in dem Urteil des LG Berlin auch nicht darum, ob und inwieweit es datenschutzrechtliche Bedenken gegen den Service geben kann.

II. „Einladungsmails“

Facebook schickt „Einladungsmails“ an alle Kontaktadressen, die der Nutzer hochgeladen hat und für die noch kein Facebook-Account besteht. Dies ist der Grund, weshalb „Facebook-Muffel“ gelegentlich Mails erhalten mit Werbung für eine Facebook-Regsitrierung.

Facebook hat diese Form der „Freundschaftswerbung“ nicht erfunden. Empfehlungsmarketing“ („Tell a Friend“) gilt als effektiv. Dem Internetnutzer wird die Möglichkeit gegeben ein Produkt durch Eingabe einer Mailadresse an einen Bekannten weiterzuempfehlen. Die Rechtsprechung hat diese Form der Werbung schon mehrfach unter dem Gesichtspunkt des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG beurteilen müssen – mit unterschiedlichen Ergebnissen und – bislang – ohne ein „letztes Wort“ des BGH (Härting, Internetrecht, 4. Aufl. Rdnr. 1350).

Das LG Berlin vertritt den Standpunkt, dass die von Facebook verwendeten „Einladungsmails“ als Werbemails anzusehen sind, die nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht ohne vorherige Zustimmung der Absender versendet werden dürfen. Darüber hinaus ist das Gericht der Auffassung, dass der Nutzer vor dem Hochladen der Kontaktadressen darüber informiert werden müsse, dass die Versendung von „Einladungsmails“ an nicht registrierte Kontakte beabsichtigt ist. Wegen der unzureichenden Information fehle es an einer wirksamen Einwilligung gemäß § 4 a Abs. 1 BDSG.

Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil des LG Berlin rechtskräftig wird. Wenn dies der Fall ist, wird Facebook in Zukunft daran gehindert sein, „Einladungsmails“ an Nichtmitglieder zu versenden. Bereits im Januar 2011 hatte Facebook nach Gesprächen mit der Hamburger Datenschutzbehörde seine „Einladungspraxis“ verändert. Zu dieser Zeit hatte der vzbv allerdings schon seine Klage eingereicht; der in dem Berliner Urteil mitgeteilte Sachverhalt entspricht schon jetzt nicht mehr der Facebook-Praxis.

III. Facebook-AGB/Facebook-Datenschutzbestimmungen

Das LG Berlin vertritt die Auffassung, dass mehrere Klauseln aus den Facebook-AGB und den Facebook-Datenschutzbestimmungen gegen das AGB-Recht (§ 307 BGB) verstoßen.

Dies betrifft zunächst die – für Facebook sehr bedeutsame – Klausel, durch die sich Facebook weitreichend Nutzungsrechte an den Inhalten (Texten, Fotos etc.) einräumen lässt, die der Nutzer auf die Plattform lädt. Das LG Berlin vertritt – mit einer äußerst knappen Begründung – den Standpunkt, dies benachteilige den Nutzer unangemessen im Hinblick auf den Zweckübertragungsgrundsatz (§ 31 Abs. 5 UrhG).

In diesem Punkt sei die Prognose gewagt, dass die vom LG Berlin aus § 31 Abs. 5 UrhG gezogenen Schlüsse einer Überprüfung durch höhere Instanzen nicht standhalten wird. § 31 Abs. 5 UrhG ist nicht mehr als eine Zweifelsregelung für den Fall, dass eine Rechteklausel unklar ist. Der von Facebook verwendet Klausel mag man manches vorwerfen, unklar ist die Klausel nicht. Dies spricht deutlich dagegen, dass § 31 Abs. 5 UrhG verletzt wird.

Bei den vom LG Berlin beanstandeten Klauseln geht es im Übrigen um Änderungsvorbehalte, um Kündigungsrechte und um die Transparenz der Klauseln, die den Nutzer darüber aufklären sollen, ob und inwieweit Daten zu Werbezwecken verwendet werden dürfen. Dabei geht es – bei den Datenschutzbestimmungen – um Klauseln, die Facebook zwischenzeitlich geändert hat. Soweit Facebook die Klauseln, um die es in dem Urteil geht, noch verwendet, sind dem Urteil Leitlinien zu entnehmen, die es Facebook ermöglichen werden, die Klauseln so umzuformulieren, dass die Bedenken des Gerichts ausgeräumt werden.

IV. Fazit

Das Urteil ist keineswegs bahnbrechend. Die Beanstandungen, die der vzbv erhoben hat, stellen das Geschäftsmodell nicht in Frage. Würde das Urteil rechtskräftig, müsste Facebook einige AGB-Klauseln umformulieren und die Praxis von „Einladungsmails“ einstellen. Mehr nicht.

Es ist allerdings zu hoffen, dass Facebook Berufung einlegt. Denn es geht in dem Urteil um eine Reihe von Fragen, die einer rechtlichen Klärung bedürfen. Dies gilt zum einen für die Frage der Rechte an Inhalten der Nutzer. Alle Anbieter von Social Media-Plattformen sind an klaren rechtlichen Maßgaben für die Rechteübertragung interessiert. Auch die Klärung der Maßstzäbe für Transparente Klauseln in Datenschutzbestimmungen ist nicht nur für Facebook interessant. Die aktuelle Diskussion um die Google-Datenschutzbestimmungen zeigt, wie gut es wäre, wenn wir in einigen Jahren eine gefestigte BGH-Rechtsprechung hätten, die dem Rechtsgestalter und –anwender Leitlinien an die Hand gibt für „wasserdichte“ AGB und Datenschutzbestimmungen.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

Ein Kommentar

  1. Veröffentlicht 12.3.2012 um 12:54 | Permalink

    Danke für den Hinweis, Herr Schwenke. Zu § 4 Nr. 11 UWG hatte das KG ja noch eine andere Auffassung in der Gefällt mir-Entscheidung. Ich glaube aber auch, dass sich die Linie durchsetzen wird, dass Datenschutzrecht Wettbewerbsrelevanz hat.
    Nicht ganz bei Ihnen bin ich, soweit es um Nutzer als „Ware“ geht. Das halte ich für übertrieben. Letztlich ist der AGB-rechtliche Teil des Urteils ein ziemlich trockenes Klipp-Klapp mit einigen Fingerzeigen für den Vertragsgestalter. So ist AGB-Recht halt.

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