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Lizenz- & Vergütungspflicht für indirekte Nutzung von Software: urheberrechtlich unwirksam? (Kroke, CR 2019, 73)

Die indirekte Nutzung von Software und insoweit insbesondere die Frage, ob die Softwareanbieter für diese indirekte Nutzung Entgelte erheben können, hat für Lizenzgeber und Lizenznehmer wesentliche wirtschaftliche Relevanz. Die Thematik ist juristisch recht komplex, da Fragen des Urheberrechts, des Kartellrechts und des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in diesem Zusammenhang diskutiert und miteinander vermengt werden. Die kartellrechtliche Bewertung der indirekten Nutzung und insbesondere auch die Einordnung unter dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird von der urheberrechtlichen Bewertung geprägt. Daher versucht die nachfolgende Darstellung die für die indirekte Nutzung geltenden Grundlagen des Urheberrechts herauszuarbeiten.

Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung

II. Problemdarstellung

III. Urheberrechtliche Wirksamkeit einer Begrenzung des Nutzungsumfangs

1. Sog. „abredefester Kern“ der bestimmungsgemäßen Nutzung

a) Europarechtliche Vorgabe
b) Auslegung

2. Das Recht zum Dekompilieren

a) Verhältnis zwischen „abredefestem Kern“ und Recht auf Dekompilieren
b) Eine kostenlose Schnittstelle berechtigt nicht zur kostenlosen Softwarenutzung

3. Zwischenergebnis

IV. Das Recht zur Bestimmung des Entgeltes

1. Die Wertung des Beteiligungsgrundsatzes

2. Urheberrechtliche Wirksamkeit der „Named User“ Entgeltmetrik bei indirekter Nutzung

a) „User-basierte“ Entgeltmetriken
b) Indirekte Nutzung
c) Kein Teil des „abredefesten Kerns“
d) Angemessenheit der Vergütung im Einzelfall

V. Ergebnis



I. Einleitung
1  Seit einiger Zeit mehren sich in der juristischen Literatur die Stimmen, wonach Anbieter von ERP Software für die sog. „indirekte Nutzung“ von Software keine Überlassungsvergütung verlangen dürften.1 Das führt dazu, dass diese Anbieter vermehrt in Konflikte mit Lizenznehmern geraten, da einige Lizenznehmer davon ausgehen, dass es sich bei der zitierten Literaturmeinung um die von den Gerichten anerkannte Auslegung des Urheberrechtsgesetzes handelt. Das ist nicht so und wird auch nicht von der in Bezug genommenen Literaturmeinung geltend gemacht. Vielmehr haben sich die Gerichte in Deutschland bisher nicht mit der Frage auseinandergesetzt. Lediglich der High Court von England und Wales hatte in einem Fall der indirekten Nutzung darüber zu urteilen, ob die auf die ERP Software
über eine Applikation des Lizenznehmers zugreifenden Nutzer als sog „Named User“ unter der geltenden Lizenz zu bewerten sind.2 Das hat der High Court von England und Wales bejaht, mit dem Ergebnis, dass dem betreffenden Anbieter von ERP Software für die sog. „indirekte Nutzung“ seiner Software ein Nutzungsentgelt zustand. Selbstverständlich hat ein Urteil des High Court von England und Wales keinerlei Bindungswirkung für deutsche Gerichte. Auch hat sich der High Court von England und Wales nicht mit Fragen des Urheberrechts auseinandergesetzt. Auch aus diesem Grund betonen einige Vertreter der in Bezug genommenen Literarturmeinung, dass nicht zu erwarten sei, dass das Urteil im Ergebnis nach deutschem Recht Bestand hätte.3

2  So sicher ist das aber nicht. Bekanntlich handelt es sich beim deutschen Softwareurheberrecht um eine wortgetreue Übernahme der Artikel der sog. „Computerprogrammrichtlinie“.4 Diese Richtlinie wurde ebenso vom englischen Gesetzgeber in nationales Recht übernommen. Bestünden die von der in Bezug genommenen Literaturmeinung geltend gemachten urheberrechtlichen Verbote tatsächlich, müssten sie sich eigentlich bereits aus der Computerprogrammrichtlinie ergeben. Dann hätte auch für den High Court von England und Wales eine Veranlassung bestanden, sie zu beachten. Der High Court von England und Wales hat derartige urheberrechtliche Verbote nicht gesehen.

3  Dementsprechend wird im Rahmen dieser Darstellung erörtert, ob die urheberrechtliche Bewertung der indirekten Nutzung tatsächlich gegen die urheberrechtliche Wirksamkeit von Lizenzentgelten spricht. Der Fokus auf das Urheberrecht wurde gewählt, da regelmäßig argumentiert wird, dass die vertragsrechtliche Unwirksamkeit von Lizenzgebühren für die „indirekte Nutzung“ schon aus der urheberrechtlichen Unwirksamkeit folge.5 Kommt man aber – wie diese Darstellung – dazu, dass kein Verstoß gegen das Urheberrecht vorliegt, entfällt dieser argumentative Einstieg in das Vertragsrecht.

II. Problemdarstellung

4  Unter „indirekter Nutzung“ wird der Zugriff von Nutzern bspw. auf eine ERP Software verstanden, wenn zwischen dem Nutzer und der ERP Software eine Drittsoftware zwischengeschaltet ist und diese Drittsoftware mit der ERP Software über eine Schnittstelle verbunden ist.6 Wird dann zusätzlich die ERP Software unter einem sog. „Named User Modell“7 lizenziert, vertreten der ERP Lizenzgeber und der Lizenznehmer mitunter unterschiedliche Meinungen darüber, ob die indirekt zugreifenden Nutzer auch als „Named User“ i.S.d. Lizenz angesehen werden dürfen.

5  Im Rahmen dieser Diskussion werden von Lizenzgebern und Lizenznehmern jeweils Extrembeispiele zur Unterstützung ihrer Positionen angeführt:

  • Lizenzgeber nennen den Fall der absichtlichen Bündelung von Nutzern über eine Drittsoftware zur Umgehung des „Named User“ Lizenzmodells. Bei diesem Beispiel erscheint es offensichtlich „unfair“, wenn dem Lizenznehmer erlaubt würde, das „Named User“ Lizenzmodell durch eine derartige Bündelung zu umgehen.
  • Lizenznehmer hingegen verweisen darauf, dass sich – im Rahmen der verstärkten Einführung von Self Service Systemen – die Zahl der (indirekten) Nutzer erheblich erhöhen würde, wenn jeder Self Service Nutzer als „Named User“ abgerechnet werden könnte. Wird in einem Betrieb bspw. die Zeiterfassung vom Zeiterfassungssystem über eine Schnittstelle direkt in die ERP Software eingegeben, wäre jeder Mitarbeiter, der seine Daten im Zeiterfassungssystem selbst erfassen lässt (z.B. durch einen Zutrittskartenleser), ein Named User i.S.d. Lizenzmodells. Würden die Informationen aus dem Zeiterfassungssystem hingegen von natürlichen Personen in die ERP Software übertragen, fiele nur für diese weitaus geringere Anzahl von natürlichen Personen als „Named User“ ein Lizenzentgelt an. Auch dieses Ergebnis erscheint auf den ersten Blick „unfair“.

6  Derartige Beispiele können nicht die juristische Prüfung ersetzen. Die Frage, ob etwas als „gerecht“ angesehen wird oder nicht, gibt nur eine Indikation, ob ein Ergebnis juristisch richtig sein kann.8 Wenn, wie in den genannten Beispielen, das Gerechtigkeitsempfinden bei fast identischen juristischen Sachverhalten in gegenteilige Richtungen ausschlägt, sind die Beispielsfälle nicht zur Kontrolle des Ergebnisses der juristischen Prüfung tauglich. Das gilt sowohl für die Argumentation der Lizenzgeber als auch für die der Lizenznehmer.

III. Urheberrechtliche Wirksamkeit einer Begrenzung des Nutzungsumfangs
7  Im Softwareurheberrecht gilt der Grundsatz, dass ein Anbieter von Software gem. § 69d Abs. 1 UrhG die sog. bestimmungsgemäße Benutzung der von ihm lizenzierten Software gegenüber den Nutzern vertraglich festlegen kann.9 Wendet man allein diesen Grundsatz an, könnte ein Anbieter einer ERP Software ...

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.02.2019 17:38

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