Aktuell im ITRB

IT-Vertragsgestaltung 4.0 - Agilität, Flexibilität, Innovationen und intelligente Anreizsysteme als Grundsäulen morderner Vertragswerke (Söbbing, ITRB 2017, 195)

Agile Programmierung, Cloud Computing, Internet of Things und distributive Innovationen passen  nur schlecht in die Welt klassischer Vertragsgestaltung und Vertragstypen. Die heutigen Geschäftsmodelle verlangen von der Vertragsgestaltung Agilität, Flexibilität, Innovationen und intelligente Anreizsysteme. Der Beitrag soll einen Überblick über die Anforderungen und Möglichkeiten der IT-Vertragsgestaltung 4.0 geben.

  1. Ausgangssituation
  2. Agilität
    1. Agile Projekte
    2. Governance
    3. Rechtsprechung zu agilen Projekten
  3. Flexibilität
    1. Service Offering Portfolio
    2. Aufbau des SOP-Vertrags
    3. Preis
  4. Innovationen
    1. Disruptive Innovationen
    2. Creative Commons
    3. Verwendung von CC-Lizenzen
  5. Intelligente Anreizsysteme
  6. Resümee

1. Ausgangssituation
Es stellt sich grundsätzlich erst einmal die Frage, ob der rechtliche Raum für eine moderne, von Agilität, Flexibilität, Innovationen und intelligenten Anreizsystemen geprägte Vertragsgestaltung in Deutschland gegeben ist oder ob das Denken in kodifizierten Vertragstypen des BGB, das durch das AGB-Recht in §§ 305 ff. BGB notwendig wird, dies nicht erheblich einschränkt.

Der erste Entwurf des BGB wurde 1888 vorgelegt und trat am 1.1.1900 in Kraft. Das Gesetzbuch wurde also zum Ende 19. Jahrhundert entworfen. In dieser Zeit dachte man sicherlich nicht an Geschäftsmodelle wie Cloud Computing oder Handel mit virtuellen Gegenständen (z.B. eBooks). Dennoch müssen deutsche Gerichte, getrieben von der AGB-Regelung in § 307 BGB, solche Geschäftsmodelle in über 100 Jahre alte kodifizierte Vertragstypen (z.B. Kauf-, Werk-, Dienstverträge) pressen, um daraus Beurteilungen abzuleiten, die nicht zum Geschäftsmodell passen. Generell  stellt sich also die Frage, ob die digitale Welt der Industrie 4.0 die Vertragstypen des BGB überfordert.  Zuweilen kommen deutsche Gerichte zu völlig unterschiedlichen Auffassungen, welcher kodifizierte Vertragstyp für das entsprechende Geschäftsmodell einschlägig sein soll. Ein Beispiel für eine solche Divergenz ist die Entscheidung des BGH  zum Internet-System-Vertrag. Der BGH war der Ansicht, dass der Vertrag dem Werkrecht zu zuordnen ist,  während die Vorinstanz  noch von einem ein Mietvertrag ausgegangen war. Eine solche Unsicherheit bei der rechtlichen Beurteilung moderner IT-Businessmodelle lädt niemanden dazu ein, das deutsche Recht für internationale Verträge zu verwenden. Daran hat auch die Schuldrechtsreform, die zum 1.1.2002 in Kraft getreten ist, nichts geändert. Dabei scheint konservatives Denken weiterhin verbreitet; so wurde in den letzten Jahren häufig publiziert, dass eine „Digitalisierung“ des BGB, d.h. eine Anpassung an die digitalen Anforderungen des 21. Jahrhunderts, nicht notwendig erscheint  oder zumindest sehr vorsichtig zu betrachten ist.

Das sieht der Mandant aus der IT-Branche anders. Insb. wenn man ihm erklärt, dass bestimmte Anforderungen an IT-Verträge von den Instrumentarien eines am 1.1.1900 in Kraft getretenen Gesetzes abweichen.

Dabei lassen sich z.B. auf EU-Ebene einige vielversprechende Ansätze finden. Mit dem Richtlinienvorschlag zu Verträgen über digitale Inhalte  reagiert die Europäische Kommission auf die Bedürfnisse der digitalen Wirtschaft im Bereich des Privatrechts. Der Vorschlag verfolgt eine zukunftsfähigen und technologieneutrale Idee: Er bezieht alle Arten digitalen Inhalts sowie ...


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.08.2017 11:39

zurück zur vorherigen Seite