BGH 12.1.2017, I ZR 198/15

Für einen Widerruf muss das Wort "widerrufen" nicht ausdrücklich verwendet werden

Für die Erklärung eines Widerrufs nach § 355 Abs. 1 BGB a.F. braucht der Verbraucher das Wort "widerrufen" nicht zu verwenden; es genügt, wenn der Erklärende deutlich zum Ausdruck bringt, er wolle den Vertrag von Anfang an nicht gelten lassen. Eine im Prozess ausgesprochene Anfechtung einer Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung kann als Widerruf ausgelegt werden.

Der Sachverhalt:
Der Beklagte meldete sich Anfang September 2012 auf eine Internetanzeige, mit der ein Grundstück zum Verkauf angeboten worden war. Kurz darauf teilte ihm die Klägerin per E-Mail mit, die Eigentümerin des Objektes wolle nicht mehr verkaufen. Die Klägerin wies den Beklagten gleichzeitig auf ein vergleichbares Objekt hin, das sie im Internet-Portal "Immobilienscout24" angeboten hatte. In dieser ein Einfamilienhaus betreffenden Anzeige war die Klägerin als Ansprechpartnerin bezeichnet. Weiter fand sich dort der Hinweis auf eine Provision von 5,95% vom Kaufpreis und deren Fälligkeit bei notarieller Beurkundung. Der Beklagte und seine Ehefrau besichtigten das Objekt mehrfach.

Nachdem der Beklagte gegenüber der Klägerin ein Kaufangebot in Aussicht gestellt hatte, teilte ihm diese im September 2012 per E-Mail den Namen des Verkäufers mit. Einen weiteren Besichtigungstermin sagte der Beklagte mit der Begründung ab, er habe es sich anders überlegt und werde kein Kaufangebot abgeben. Mit notariellem Kaufvertrag aus Oktober 2012 erwarb der Beklagte das Objekt für 350.000 €. Die Klägerin stellte ihm im August 2013 eine Provision i.H.v. 20.825 € in Rechnung. Der Beklagte verweigerte die Zahlung mit der Begründung, das Objekt sei mangelhaft, die Klägerin habe ihn unzureichend beraten.

Die Klägerin behauptete, der Beklagten hätte eine von ihr üblicherweise verwendete Reservierungsvereinbarung unterschrieben, in der er ihr eine Provision i.H.v. 5,95% versprochen hätte. Dieses Schriftstück habe sie nach der Absage des Beklagten jedoch in der Annahme vernichtet, das Geschäft sei nicht zustande gekommen. Sie hat den Beklagten auf Zahlung der in Rechnung gestellten Provision nebst Zinsen in Anspruch genommen. Der Beklagte hat am 14.10.2013 im schriftlichen Vorverfahren seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt und mit der Klageerwiderung vom 8.11.2013 vorgetragen, er hätte ein solches Schriftstück nicht unterschrieben.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage ab.

Gründe:
Im Streitfall war § 355 Abs. 1 BGB in der bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung maßgeblich. Demnach steht der Klägerin gegen den Beklagten kein Anspruch auf Maklerlohn gem. § 652 Abs. 1 BGB zu.

Zwar war zwischen dem Beklagten und der Klägerin ein Maklervertrag gem. § 652 BGB durch konkludentes Verhalten zustande gekommen. Eine Provisionsabrede nach § 652 BGB kann stillschweigend durch schlüssiges Verhalten getroffen werden. Der Beklagte hat der Klägerin dadurch, dass er sie per E-Mail im September 2012 in Kenntnis des Provisionsverlangens um einen Besichtigungstermin gebeten hatte, ein Angebot auf Abschluss eines Maklervertrags gemacht. Ein ausdrückliches Provisionsverlangen kann in einer Zeitungsanzeige oder einem Internetinserat enthalten sein, sofern der Hinweis so gestaltet und geeignet ist, dem durchschnittlichen Interessenten die entstehende Provisionspflicht unzweideutig vor Augen zu führen. Wie das unmissverständliche Provisionsbegehren erklärt wird, ist dabei grundsätzlich gleichgültig. Der entsprechende Hinweis in einer Zeitungs- oder Internetanzeige genügt jedenfalls gegenüber den Kunden, die sich auf diese Anzeige melden, wobei die Umstände des jeweiligen Einzelfalls für die Bewertung der Eindeutigkeit des Provisionsverlangens ausschlaggebend sind.

Das Angebot des Beklagten hat die Klägerin wiederum dadurch angenommen, dass sie dem Beklagten per E-Mail die Adresse des Objektes mitgeteilt und mit ihm einen Besichtigungstermin vereinbart hatte. Die Klägerin hat die den Provisionsanspruch auslösende Leistung erbracht, indem sie dem Beklagten das von diesem später erworbene Einfamilienhaus und den Verkäufer benannt und ihm damit die Gelegenheit zum Abschluss des Kaufvertrags nachgewiesen hatte.

Allerdings hatte der Beklagte den Maklervertrag gem. §§ 312b, 312d Abs. 1 S. 1, § 355 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. wirksam widerrufen. Dem Beklagten steht insofern ein Widerrufsrecht nach dem Fernabsatzrecht zu. Für die Erklärung eines Widerrufs nach § 355 Abs. 1 BGB a.F. braucht der Verbraucher das Wort "widerrufen" nicht zu verwenden. Es genügt vielmehr, wenn der Erklärende deutlich zum Ausdruck bringt, er wolle den Vertrag von Anfang an nicht gelten lassen. Infolgedessen machte der Beklagte mit Erfolg geltend, er habe dadurch den Widerruf des Maklervertrags erklärt, dass er in der Klageerwiderung vom 8.11.2013 die Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung angefochten. Zwar liegt in der Anzeige der Verteidigungsbereitschaft noch keine Widerrufserklärung. Eine im Prozess ausgesprochene Anfechtung einer Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung kann dagegen als Widerruf ausgelegt werden.

Linkhinweise:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 31.05.2017 15:01
Quelle: BGH online

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